Stunde der Scharfmacher
Von Kristian StemmlerNachdem die »Taurus«-Debatte vorläufig auf einem toten Gleis angekommen zu sein scheint, wechseln die Scharfmacher die Spur. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat am Sonntag gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung dafür plädiert, dass westliche Staaten die Luftverteidigung über der Westukraine übernehmen. Eine »Koalition der Willigen« könne dies in einem Korridor von 70 bis 100 Kilometern »auf das westliche Territorium der Ukraine ausdehnen«, sagte Kiesewetter. So könnten sich die Streitkräfte der Ukraine »auf die Luftverteidigung weiter östlich im Land konzentrieren«. Doch nicht nur das: Kiesewetter plädierte zudem dafür, die Entsendung von Truppen in die Ukraine zu prüfen, etwa für Sanitätsdienste, Minenräumung oder Instandsetzung. Dies sei völkerrechtlich zulässig, behauptete er.
Gleichsam flankierend hatte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Wochenende gefordert, die Ukraine nicht länger davon abzuhalten, mit westlichen Waffen auch Ziele auf russischem Territorium anzugreifen.
»Während selbst die scheidende US-Botschafterin vor einer weiteren Eskalation warnt und feststellt, NATO-Bodentruppen in der Ukraine könnten zum dritten Weltkrieg führen, kennen die Kriegsbesoffenen in Deutschland kein Halten«, erklärte Sevim Dagdelen, außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe im Bundestag, am Montag gegenüber jW. Wer Angriffe mit NATO-Waffen auf Ministerien in Moskau fordere oder von NATO-Territorium aus die Flugabwehr über der Westukraine übernehmen wolle, der wolle »uns sehenden Auges direkt in den Krieg treiben«. Die Bundesregierung müsse umgehend die Friedensinitiative Brasiliens und Chinas unterstützen, forderte Dagdelen.
Unterdessen ging die Debatte über den Umgang mit den ukrainischen Männern im kriegsdienstpflichtigen Alter weiter, die in die Bundesrepublik geflüchtet sind. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte sie am Freitag als »fahnenflüchtig« bezeichnet und vorgeschlagen, ihnen das Bürgergeld zu streichen. Das ging Thüringens Innenminister Georg Maier zu weit. So ein Vorstoß werde »alle Geflüchteten aus der Ukraine ins Asylverfahren zwingen«, sagte Maier gegenüber dem RND. Es gebe »eine moralische Verantwortung für ukrainische Männer, ihr Land zu verteidigen«. Die pauschale Verurteilung als Fahnenflüchtige sei aber »völlig daneben« und könne »fatale Folgen« haben. Maier treibt dabei vor allem die Überlastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge um. Im Ergebnis »würden dann doch alle im Bürgergeld landen«.
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