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Aus: Ausgabe vom 28.05.2024, Seite 5 / Inland
Bieterwettbewerb um Schenker

Heuschrecke am Lenkrad

Final vier Bieter um DB-Logistiktochter Schenker, darunter ein Konsortium aus Private-Equity-Fonds. 15 Milliarden Euro Erlös möglich
Von Ralf Wurzbacher
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Das Pferd Schenker könnte dem Stall Deutsche Bahn Schätzungen zufolge rund 15 Milliarden Euro einbringen

Sich von seinem besten Pferd im Stall zu trennen, ist auf der Rennbahn eher kein Sieggarant. Der Deutschen Bahn (DB) aber soll genau das auf die Sprünge helfen, beziehungsweise zurück auf die Erfolgsspur. Mit der internationalen Logistiktochter Schenker will sie dafür ausgerechnet den Konzernteil loswerden, der seit Jahren praktisch der einzige Ertragsbringer ist. Ohne Schenker wäre die DB AG eine »hochdefizitäre Veranstaltung, die ohne regelmäßigen öffentlichen Mittelzufluss umgehend Insolvenz anmelden müsste«, schrieben DB-Kritiker in ihrem im März vorgelegten »Alternativen Geschäftsbericht«. Nach einem Verkauf sehe die bilanzielle Zukunft »tiefrot« aus.

Das gilt bereits für die Gegenwart. Die Zahlen für 2023 weisen 2,4 Milliarden Euro Verluste und 34 Milliarden Euro Schulden aus. Die erdrückenden Verbindlichkeiten zu senken, ist das propagierte primäre Ziel des Schenker-Verkaufs. Außerdem soll ein Teil des Geldes in die Ertüchtigung der maroden Schieneninfrastruktur gesteckt werden, zumal dafür wegen »Schuldenbremse«, infolge des Karlsruher Haushaltsurteils und zwecks »Kriegsertüchtigung« die Spielräume für die Ampelregierung immer enger werden. Die Veräußerung wird Schätzungen zufolge 15 Milliarden Euro und mehr in die leeren Kassen spülen. Wie am Montag das Handelsblatt berichtete, sind nach anfänglich über zehn noch vier Bieter im Rennen, darunter ein strategischer Investor, ein Finanzinvestor und ein Vertreter aus dem europäischen Raum. Sie bilden die sogenannte Shortlist der Interessenten mit den höchsten – bislang noch unverbindlichen – Geboten und sollen in der letzten Runde tiefere Einblicke in die Schenker-Bücher nehmen dürfen. Bis zur nächsten DB-Aufsichtsratssitzung im September könnte dann ein einzelner Kandidat übrig sein und per Abstimmung den Zuschlag erhalten.

Als aussichtsreicher Anwärter gilt ein Konsortium aus den Private-Equity-Fonds Carlyle und CVC, unterstützt durch die Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) sowie den Fonds GIC aus Singapur. Ebenso im Rennen sind nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters die dänische Großreederei Mærsk sowie der dänische Logistikkonzern DSV. Käme letzterer zum Zug, sei laut Branchenkennern mit umfangreichen Stellenstreichungen bei Schenker mit seinen weltweit über 70.000 Beschäftigten zu rechnen. 2019 hatte DSV den Schweizer Logistiker Panalpina übernommen, woraufhin ein Drittel der Mitarbeiter ihren Job verloren. Mit Skepsis sollen Anteilseigner an Mærsk ein Engagement sehen, aus dem ein Verbund aus Spedition und Reederei hervorginge. So drohe etwa die Post DHL von den Dänen Abstand zu nehmen, um nicht indirekt dem eigenen Mitbewerber in die Karten zu spielen. Das Feld der Bieter soll schließlich der saudi-arabische Logistiker Bahri vervollständigen.

Mit dem Schenker-Verkauf will sich die Bahn wieder auf ihr Kerngeschäft, die Eisenbahn, konzentrieren, was grundsätzlich gutzuheißen ist. Anderseits hat der Deal mehrere Haken. Durch den Wegfall von Umsatz und Gewinnen wird sich die Bilanzsumme deutlich minimieren, was die Kosten für die Kreditaufnahme steigen lässt. Auch deshalb soll das Gros der Erlöse in den Schuldenabbau fließen, damit die Aufnahme von Geld nicht noch teurer wird. Das Ganze könnte also am Ende auf ein bilanzielles Nullsummenspiel hinauslaufen, mit null Nutzen für die Kunden. Daneben gibt es Sorgen, durch den Verlust des global führenden heimischen Spediteurs an eine »Heuschrecke« oder einen staatlich gelenkten Widersacher könnte der Wirtschaftsstandort Deutschland im Licht der zugespitzten weltweiten Konkurrenz und in Zeiten zerbrechlicher Lieferketten weiter Schaden nehmen.

Zur Erinnerung: Die DB hatte Schenker – vor über 20 Jahren – schon einmal ver- und später wieder zurückgekauft, »mit insgesamt hohen Verlusten«, wie am Montag Carl Waßmuth von »Bahn für alle« gegenüber junge Welt anmerkte. »Wir fordern, die Auslandsengagements der DB AG an die öffentlichen Bahnen in den betreffenden Ländern abzugeben und gleichzeitig die Logistikkette über die Schiene zu stärken«, ergänzte der Bündnissprecher. »Güterverkehr bedarf einer Transformation hin zu wesentlich ökologischeren Transporten, Ausverkauf ist dabei kontraproduktiv.«

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