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Aus: Ausgabe vom 28.05.2024, Seite 7 / Ausland
Japan

Kishidas Dilemma mit den schwarzen Kassen

Japan: Intransparente Parteispenden bringen regierende Liberaldemokraten in Bedrängnis
Von Igor Kusar, Tokio
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Der in den Korruptionsskandal verwickelte frühere Handelsminister Yasutoshi Nishimura (M.) wurde für ein Jahr aus der Regierungspartei ausgeschlossen (Tokio, 4.4.2024)

Seit Monaten hat eine Korruptionsaffäre die japanische Politik fest im Griff. Dabei geht es um schwarze Kassen, die aus Einnahmen von Fundraisingpartys einiger Fraktionen der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) entstanden sind. Zudem wurde ein Teil des Geldes an die Parlamentarier ausbezahlt, ohne dass diese die Einnahmen deklariert hätten. Die Intransparenz der Verwendung von Geldern in der Politik ist seit Jahrzehnten immer wieder Thema in der Öffentlichkeit und Auslöser von Skandalen. Doch Versuche, die Problematik zu lösen, blieben stets auf halbem Wege stecken.

Nun soll es eine Gesetzesrevision richten. Premierminister Kishida Fumio verspricht sich davon, die angeschlagene Reputation seiner Partei wieder zu verbessern. Neben der LDP haben auch die Oppositionsparteien Gesetzentwürfe eingereicht, über die seit vergangenem Mittwoch im Unterhaus debattiert wird. Dabei geht es vor allem um die Erhöhung der Transparenz durch verbesserte Rechenschaftsberichte, stärkere Kontrolle und schwerere Strafen, um Missbrauch von Geld in der Politik in Zukunft zu verhindern. Doch der LDP-Vorschlag wirkt zahnlos und verliert sich in kosmetischen Änderungen. So wollen die Liberaldemokraten etwa die Höhe des Betrags, ab dem die Namen von Personen, die Tickets für Fundraisingparties kaufen, öffentlich gemacht werden müssen, um die Hälfte auf 100.000 Yen (rund 600 Euro) heruntersetzen. Andere Parteien gehen da weiter. Die größte Oppositionskraft, die Konstitutionell-Demokratische Partei (KDP), will Fundraisingveranstaltungen wie auch Spenden von Firmen und anderen Organisationen ganz verbieten lassen.

Die LDP steckt dabei in einem Dilemma. Je transparenter sie die Parteienfinanzierung gestaltet, desto mehr Spender könnten abspringen. Und es sind vor allem die Liberalen, die diese Spenden brauchen. Viele ihrer Parlamentarier bekamen ihr Mandat aufgrund von Netzwerken. Ihr Erhalt kostet Geld – viel Geld. Wegen ihres Zauderns hat es die Partei nicht geschafft, mit ihrem Gesetzesvorschlag den Juniorpartner Gerechtigkeitspartei (Komeito), der eine strengere Regelung befürwortet, mit ins Boot zu holen. Die Genehmigung des LDP-Entwurfs ist deshalb in dieser Legislaturperiode ungewiss. Scheitert die LDP, wäre dies ein schwerer Schlag für Kishida und sein Vorhaben, im September als Parteichef wiedergewählt zu werden. Übers Wochenende haben sich die Positionen der beiden Regierungsparteien allerdings etwas angenähert.

Bereits zu Beginn des Jahres hatte Kishida versucht, durch verschiedene Maßnahmen den Skandal nicht überborden zu lassen. Im Januar leitete er die Auflösung seiner eigenen Fraktion ein. Fast alle anderen in der LDP bestehenden Fraktionen folgten seinem Beispiel. Im April wurden dann 39 Parteimitglieder für ihre Beteiligung am Skandal bestraft. Die Kriterien für die Bestrafung blieben jedoch intransparent – und Kishida, dessen Fraktion ebenfalls involviert war, blieb unbehelligt. Seine Popularitätswerte sanken danach weiter. Akira Koike, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Japans, kommentierte dies mit den Worten: »Das größte Problem ist, dass nicht veröffentlicht wurde, wer die schwarzen Kassen ins Leben gerufen hat. Wir wissen nicht, wann, in welcher Höhe und zu welchem Zweck die Gelder benutzt wurden.«

Derweil überbieten sich in den alternativen Medien viele Kommentatoren mit düsteren Prognosen für die Zukunft Japans. Der jüngste Skandal wird dabei als Symptom für ein Land im Niedergang gesehen, wo die Reallöhne stagnieren, die Bevölkerung schrumpft und die digitale Transformation hinter der Weltspitze hinterherhinkt. Die Politik stehe dem machtlos gegenüber, die LDP, die Japan seit 1955 fast durchgehend regiert, habe ausgedient. So oder ähnlich sehen das auch immer mehr Japaner. In einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage der Zeitung Mainichi befürworten 62 Prozent bei den nächsten Unterhauswahlen einen Regierungswechsel. In der Vergangenheit hat es die LDP zwar immer wieder geschafft, Krisen für eine Erneuerung zu nutzen. Doch diesmal ist davon in der Partei wenig zu spüren.

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