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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 2 / Inland
Panzer auf dem Hessentag

»Sie tritt sehr verharmlosend auf«

Hessen: Linke und Antimilitaristen protestieren bei Volksfest zum Hessentag gegen Bundeswehr-Präsenz. Ein Gespräch mit Jakob Migenda
Interview: Gitta Düperthal
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Von der Volksfeststimmung will auch die Bundeswehr profitieren. Eröffnung des Hessentags in Fritzlar (24.5.2024)

Wie schon in vergangenen Jahren nutzt die Bundeswehr auch beim 61. Hessentag das noch bis 2. Juni andauernde Volksfest für Eigenwerbung. Die Linke Hessen demonstrierte am Sonnabend in Fritzlar zusammen mit Friedensinitiativen für einen militärfreien Hessentag. Wie sehr spiegelt sich bei solchen Ereignissen wider, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius, SPD, zur Kriegstüchtigkeit aufruft?

Ein Volksfest im ländlichen Nordhessen ist selten als Ort für progressive Politik ausgerichtet. Zu merken ist, dass sich die inneren Einstellungen der Menschen während der sogenannten Zeitenwende noch stärker nach rechts verschoben haben. Wir Friedensaktivistinnen und -aktivisten wurden von Menschen angepöbelt. Sie unterstellten uns angeblichen Verrat an Russland; wünschten uns den Tod an den Hals, etc.

Wie viel Mut gehört dazu, dort gegen die Präsenz der Bundeswehr zu protestieren?

Wir waren mehr als 100 Menschen bei den Protesten, was eine hohe Zahl ist, wenn man bedenkt, dass Fritzlar eine tief in Nordhessen gelegene Kleinstadt ist: vor allem in Zeiten, in denen die gesellschaftliche Stimmung in Richtung Militarisierung kippt, die Bundesregierung das noch befeuert und es auch in relevanten Teilen der Medien unüblich geworden ist, sein Gesicht für den Frieden zu zeigen. Es ist also der normale Mut erforderlich, wenn man aufrecht politische Gegenwehr gegen den Mainstream leisten will.

Trat die Bundeswehr denn entsprechend penetranter auf?

Sie tritt sehr verharmlosend auf. Es war dort Militärgerät aufgebaut, auf dem Kinder herumklettern können. Wenn kleine Kinder auf Panzern herumturnen, als wäre es ein Klettergerüst, mutet das gruselig an. Die Strategie dahinter ist, Menschen mit Militär vertraut zu machen, sie daran zu gewöhnen. Mit Panzern, Hubschraubern und einer nachgestellten Feldküche versucht man, Faszination für Technik oder auch Abenteuerlust bei Jugendlichen anzusprechen, um so die Attraktivität einer beruflichen Laufbahn bei der Bundeswehr herauszustellen. Ausgeblendet wird, dass es ums Töten und Sterben geht.

All das mag vielleicht ein Stück weit bei der Bevölkerung verfangen. Geht es allerdings real darum, in den Dienst einzutreten, schrecken Menschen doch davor zurück. Übrigens, auch Politikerinnen und Politiker von Bündnis 90/Die Grünen wollten ihre eigenen Kinder wohl nicht antreten lassen, selbst wenn sie in Talkshows teilweise das Militär hochloben. So herrscht weiter Personalmangel bei der Bundeswehr.

Reagierten Militärs oder auch die Polizei auf ihre Proteste?

Die Bundeswehr hat sich zurückgehalten und die Polizei verhielt sich professionell.

Macht es sich denn bemerkbar, dass Die Linke sich bundesweit nicht hinreichend als Friedenspartei exponiert und der Militarisierung nicht entschieden entgegengetreten ist?

Wir und die DKP haben uns als einzige Parteien bei den Gegenprotesten zum Militär beim Hessentag beteiligt, auch organisatorisch. Die Linke in Hessen ist in die Friedensbewegung gut integriert. Wer uns ehemals aus eigenen Reihen vorwarf, wir würden nicht genug für den Frieden tun, war dagegen nicht dabei. Das spricht Bände.

Aber die AfD nutzte die Lücke, um sich als angebliche Friedenspartei zu inszenieren.

AfD-Politiker stimmten für das Aufrüstungspaket für die Bundeswehr und die Einführung des Veteranentags. Klar, wir könnten noch lauter und deutlicher sagen, dass wir für Friedenspolitik eintreten. Aber Die Linke in Hessen hat als einzige Partei konsequent und zuverlässig bewiesen, dass sie für Frieden und Abrüstung steht.

Wie schafft es Ihr Landesverband, der bei der Wahl im Herbst 2023 den Wiedereinzug in den Landtag verfehlte, unter diesen Umständen weiterzumachen?

Das Gute ist: Menschen treten unserer Partei nicht bei, weil sie politisch Karriere machen wollen, sondern weil sie Überzeugungstäter sind. Selbstverständlich ist es ohne die Ressourcen und die Öffentlichkeit des Parlaments schwieriger – und freilich merkt man, wenn nun die CDU mit der SPD im Land regiert, und die große Opposition die AfD ist, dass die linke Stimme fehlt. Aber wir sind es gewohnt, außerparlamentarisch Druck zu machen. Wir haben viele Leute, die sich einbringen und weiterkämpfen.

Jakob Migenda ist ­Landesvorsitzender der Partei Die Linke in Hessen

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