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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 6 / Ausland
Guatemala

»Rassistisch bis ins Mark«

Guatemala: Mord an indigenem Sänger wirft Licht auf strukturelle Diskriminierung und Gewalt im Land
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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Mit Bestürzung hat Guatemala auf den gewaltsamen Tod des jungen Sängers Jorge Sebastián Pop Chocoj reagiert. Der 18jährige, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Farruko Pop, war am Sonnabend tot in der Zone 18 der Hauptstadt aufgefunden worden, er galt seit sechs Tagen als vermisst. Nach Medienberichten wurde der Leichnam bei Razzien im Armenviertel El Limón entdeckt, die Polizeikräfte dort seit den frühen Morgenstunden durchführten. Demnach sei der Künstler durch Strangulation gestorben.

Der aus armen Verhältnissen stammende Pop hatte seit seiner Kindheit den Wunsch, Sänger zu werden. Der Maya Q’eqchi’ wurde in der kleinen Gemeinde Chacalte im Landkreis Livingston in Izabal geboren. 2022 verließ er sein Elternhaus, produzierte Videoclips und konnte bei internationalen Künstlern auftreten. Zuletzt sang er gemeinsam mit dem mexikanischen Sänger Espinoza Paz auf einem Konzert im guatemaltekischen Departamento San Marcos. Er arbeitete mit der lokalen Produktionsfirma RG Studios Guatemala zusammen, die ihm die Möglichkeit gab, eigene Videos in sozialen Netzwerken zu verbreiten.

Verschiedene guatemaltekische Medien berichteten ausführlich über Leben und den gewaltsamen Tod des Künstlers. Dabei wurde auch auf die strukturelle Diskriminierung im Land hingewiesen, gegen die Pop in seiner kurzen Karriere ankämpfen musste. Die indigene Journalistin Sandra Xinico Batz, die das in Kolumnen für die Tageszeitung La Hora regelmäßig anprangert, schrieb auf Facebook: »Sein Leben und seine Karriere waren von Rassismus und Klassismus geprägt. (…) Dieses Land ist ungleich, rassistisch und klassenorientiert bis ins Mark und die Chancen für die Indios, ja, Indios, wie sie ihn bis zu seiner Ermordung nannten, liegen immer in weiter Ferne.« Die Sängerin Sara Curruchich schrieb auf X, »die Verspottungen, rassistischen Äußerungen und diskriminierenden Einstellungen gegenüber Pop sind inakzeptabel«. Guatemalas progressiver Staatschef Bernardo Arévalo sprach der Familie des Ermordeten sein Beileid aus und versprach Aufklärung des Verbrechens, »auch für die Tausenden jungen Menschen, die ähnliche Träume haben wie Pop«.

Die Zone 18 der Hauptstadt und das Viertel El Limón, in dem sich das Verbrechen mutmaßlich ereignete, gehören zu den gewalttätigsten Gebieten der Stadt. Polizei tritt selten auf, zwei der großen Jugendbanden des Landes sind mit Schuldgelderpressungen aktiv und bekämpfen sich außerdem gegenseitig. Insgesamt ist die Mordrate in dem mittelamerikanischen Land aber zurückgegangen. 2009, dem gewalttätigsten Jahr nach dem Bürgerkrieg (1960–1996), starben 6.498 Menschen einen gewaltsamen Tod, das entsprach einer Rate von 45,57 Mordopfern auf 100.000 Einwohner. Im vergangenen Jahr wurden 2.942 Morde registriert, die Rate sank auf 16,7. Damit ist Guatemala aber weiterhin nach Honduras das zweitunsicherste Land Mittelamerikas, in ganz Lateinamerika und der Karibik liegt es auf Platz zehn. Dort ist mittlerweile Ecuador das gefährlichste Land des Kontinents.

In absoluten Zahlen war mit 1.303 Morden im Jahr das Hauptstadt-Departamento 2023 am gefährlichsten, die höchste Rate mit 38,6 Mordopfern auf 100.000 Einwohner wies aber das Departamento Escuintla an der Pazifikküste auf, eines der industriellen Zentren des Landes. Weitere Departamentos mit hoher Mordrate sind Zacapa und Izabal im Osten des Landes im Grenzgebiet zu Honduras. Die sichersten Departamentos sind die ländlich geprägten Regionen mit einem hohen Anteil indigener Bevölkerung, die gleichzeitig zu den ärmsten des Landes gehören. Die niedrigste Mordrate mit 0,8 Fällen auf 100.000 Einwohner hat das Departamento Totonicapán. Ähnlich wie in anderen Regionen vor allem des Hochlandes gibt es dort ausgeprägte Strukturen indigener Selbstverwaltung. Diese übernehmen neben politischen Entscheidungen teilweise auch Aufgaben der Justiz und polizeiähnliche Funktionen.

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