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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 8 / Inland
Debatte über Ostdeutschland

»Allen war klar: Es braucht solidarische Strukturen«

Sachsen-Anhalt: Konferenz in Magdeburg über Ostdeutschland aus linker Perspektive. Ein Gespräch mit Kyra Sukop
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Das Kulturzentrum Feuerwache in Magdeburg ist an diesem Wochenende gut besucht (25.5.2024)

Am 25. Mai hat das Sozialkombinat Ost eine Konferenz in Magdeburg veranstaltet. Wer hatte sich dafür zusammengetan?

Die Konferenz ist aus der Motivation entstanden, einen spezifischen Blick auf die künftige ostdeutsche Wirtschaftspolitik zu richten. Angesichts von historischen Großansiedlungen wie Tesla in Grünheide oder Intel in Magdeburg haben wir uns als Sozialkombinat Ost – eine Gruppe junger Menschen aus Magdeburg – vorgenommen, daran eine Kritik zu formulieren. Dafür haben wir zahlreiche linke Wirtschafts- und Sozialtheoretiker wie Stefanie Hürtgen, Judith Dellheim, Daniel Kubiak oder auch Ole Nymoen eingeladen, mit uns und allen Besuchern der Konferenz ins Gespräch zu kommen. Am Ende sind knapp 130 Menschen gekommen, um zu diskutieren.

Warum hielten Sie es für wichtig, die Konferenz spezifisch auf den Osten konzentrieren?

Auch 34 Jahre nach der Wende sind die Unterschiede zwischen Ost und West enorm groß. Allein die Einkommensverhältnisse oder Armutsquoten im Osten zeigen deutlich, dass gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West immer noch nicht gegeben sind. In Sachsen-Anhalt gibt es seit Jahren die schlechtesten Löhne, knapp 20 Prozent weniger Gehalt als im bundesweiten Durchschnitt. Das ist ein riesiger Skandal. Genau deshalb gehört eine spezifisch ostdeutsche Wirtschaftspolitik, die nicht nur auf Ansiedlungen von Filialen amerikanischer Großkonzerne wie Intel setzt, ganz oben auf die Tagesordnung. Die mit der Wende versprochenen blühenden Landschaften sind nach über drei Jahrzehnten nichts mehr als Lippenbekenntnisse. Die Abstiegsängste im Osten sind real und deshalb auch in konkrete Beziehung mit rechtsextremen Wahlerfolgen zu setzen.

Anhand welcher Themen haben Sie die aktuelle Situation in Ostdeutschland diskutiert?

Die Teilnehmenden konnten aus einem breiten Workshopangebot wählen. Viele hatten eine vertiefte Analyse der Politischen Ökonomie Ostdeutschlands zum Ziel, etwa der Vortrag von Dominik Intelmann zur ostdeutschen Filialökonomie. Mit Stefanie Hürtgen konnten wir eine transnationale Perspektive auf Arbeit und Ökonomie anbieten, während Ole Nymoen die Möglichkeiten und Grenzen genossenschaftlichen Wirtschaftens diskutierte. Mit einem Vortrag zum Sozialismus im 21. Jahrhundert war Klaus Dörre als Referent eingeladen. Der Gewerkschafter Stefan Bornost gab Einblicke in die Praxis ostdeutscher Tarifkämpfe. Daniel Kubiak rundete das Ganze mit einem Input zur Sozialstruktur in Ost- und Westdeutschland ab. Eine Podiumsdiskussion am Abend, an der Judith Braband, André Schmidt, Judith Dellheim und Stefanie Hürtgen teilnahmen, schloss an diese Analysen mit einem Blick auf die Praxis an und hatte die Frage nach der historischen Aufgabe einer gesellschaftlichen Linken in Ostdeutschland zum Thema.

Welche Aufgaben leiten sich Ihrer Meinung nach daraus für die politische Linke ab?

Auf unserem Abschlusspodium haben wir bereits festgestellt, dass die Aufgaben einer gesellschaftlichen Linken heutzutage drängender sind denn je. Internationalismus, Antimilitarismus und Klimagerechtigkeit sind nur einige der wichtigen Schlagworte, die durch die Referentinnen und Referenten gegeben wurden. Allen war klar, dass es gemeinsame Vernetzung sowie Bildung solidarischer Strukturen braucht, in denen wir auch wieder lernen müssen, über unsere Fehlschritte und Niederlagen zu sprechen. Die Ostdeutschlandkonferenz konnte hier – so die einstimmige Meinung – einen Beitrag zur Vernetzung der gesellschaftlichen Linken in Ostdeutschland bilden.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis der Konferenz?

Das Ziel war, den Teilnehmenden ein breites Spektrum aus Analysen rund um die Politische Ökonomie Ostdeutschlands bereitzustellen. Dass wir bereits drei Wochen nach dem Anmeldestart die Warteliste aufmachen mussten, zeigt uns, wie dringend der Bedarf ist, das Thema Ostdeutschland in linken Räumen zu diskutieren. Als wir mitbekommen haben, dass viele Strukturen sich auf der Konferenz vernetzen konnten, haben wir uns sehr gefreut. In Zukunft wollen wir weiter Analysen der ostdeutschen Ökonomie auf die Agenda setzen.

Kyra Sukop ist Sprecherin des Sozialkombinats Ost

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