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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Kabinett eröffnet Casino

Rentenpaket II
Von Sebastian Edinger
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Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das Rentenpaket II abgenickt – und damit auch das sogenannte Generationenkapital. Nach dem 100 Milliarden Euro schweren Aufrüstungsprogramm gibt es nun augenscheinlich eine zweite Staatsangelegenheit, die wichtig genug ist, die Hand von der heiliggesprochenen Schuldenbremse zu nehmen. Nämlich, dem Kapital an den Finanzmärkten die sozialen Sicherungssysteme zum Fraß vorzuwerfen.

Zwölf Milliarden Euro Schulden sollen zu diesem Zweck jährlich gemacht werden. Zudem gilt es, Vermögenswerte des Bundes – also Gemeineigentum – zu verscherbeln. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen so mindestens 200 Milliarden Euro zusammenkommen – ein schönes Sümmchen, um an der Börse um die Rente zu zocken. Wenn es gut läuft, die Kurse steigen und die Staatsspekulanten auf die richtigen Pferde setzen, könnte dies tatsächlich dazu beitragen, das Rentenniveau auf dem gegebenen, niedrigen Niveau zu stabilisieren. Wenn nicht, dann nicht.

Aus Sicht der Renditejäger hingegen ist die Aktienrente so oder so eine gute Nachricht. Schließlich profitieren sie nicht nur von neuen Anlagemöglichkeiten, wenn der Staat die Finanzmärkte weiter aufbläht. Zudem ist es beruhigend zu wissen, dass man als Zocker mit den Verlusten nicht alleine dasteht, wenn mal wieder alle Luftschlösser zusammenbrechen. Das ist angesichts der kapitalistischen Krisendynamik nur eine Frage der Zeit. Umso besser, am großen Zahltag die Rentnerinnen und Rentner an seiner Seite zu haben. So hat die dann rasant steigende Altersarmut auch ihr Gutes – alles eine Frage der Perspektive.

Klar, aus der Perspektive des angehenden Rentenempfängers würde man einen etwas seriöseren und solideren Ansatz bevorzugen. Doch liegt die Wirtschaftsleistung pro Kopf hierzulande gerade mal bei 49.000 Euro im Jahr. Folgt man dem Alternativlosigkeitsdiskurs der Herrschenden, lässt sich damit unmöglich ein anständiges Rentensystem finanzieren. Allerdings liegt das BIP pro Kopf im Nachbarland Österreich auf dem gleichen Niveau und der Durchschnittsrenter hat dort am Monatsende gut 800 Euro mehr in der Tasche – und zwar ganz ohne Rentenzockerei.

Dabei steht die Überwindung des Kapitalismus auch in der Alpenrepublik noch aus. Die Unterschiede sind eher banal: Der Beitragssatz liegt dort mit 22,8 Prozent über dem deutschen Niveau, wobei die Arbeitgeber mit 12,5 Prozent mehr beitragen als die Beschäftigten. Außerdem wurden auch Beamte und Selbständige in das öffentliche Rentensystem integriert und somit die Basis deutlich verbreitert. Letztlich bräuchte es auch hier keine Revolution, um eine öffentliche Altersvorsorge ohne Zockerei zu etablieren. Ein bisschen Wille, mal die Interessen des Kapitals außen vor zu lassen und jene der Bevölkerung ins Zentrum politischer Entscheidungen zu rücken, würde schon reichen.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (30. Mai 2024 um 20:33 Uhr)
    Erinnert sich vielleicht noch jemand an die seinerzeit so (an)gepriesene »Volksaktie«, die damals angeblich auch noch die bedürftigste Toilettenfrau mit nur geringem finanziellen Einsatz binnen kürzester Zeit richtig reich machen sollte?

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