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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

EU plant Anti-China-Zölle

Brüssel entscheidet kommende Woche über Strafzölle auf Elektroautos aus der Volksrepublik. Experten bezweifeln Wirksamkeit der Maßnahmen
Von Jörg Kronauer
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Deutsche Kfz-Hersteller verkauften im vergangenen Jahr mehr als 216.000 Autos in die Volksrepublik

Vor der Entscheidung der EU über Strafzölle auf die Einfuhr von Elektroautos aus China schwillt die Unruhe in der deutschen Kfz-Branche an. Spätestens am kommenden Mittwoch muss die EU-Kommission offiziell bekanntgeben, ob sie die Strafzölle befürwortet; bis zum 7. Juli muss Brüssel endgültig über die Maßnahme entscheiden. Hintergrund ist, dass der Marktanteil chinesischer Hersteller wie BYD am EU-Elektroautomarkt in schnellem Tempo wächst. Lag er im vierten Quartal 2023 nach Angaben der Analysefirma Jato Dynamics bereits bei gut 7,8 Prozent, so könnte er Branchenkreisen zufolge spätestens 2027 auf bis zu 20 Prozent steigen. Entsprechend sind die Traditionskonzerne aus EU-Staaten, auch die deutschen, von ernsthaften Rückschlägen auf ihrem Heimatmarkt bedroht. Die Kommission begründet den Plan, die chinesische Konkurrenz mit Strafzöllen zurückzudrängen, damit, dass Beijing die Branche unzulässig subventioniert habe. Experten rechnen mit der Erhöhung der Zölle von aktuell zehn auf 15 bis 30 Prozent.

Offiziell befürwortet werden die Strafzölle vor allem von Kommissionspräsidentin Ursula von der ­Leyen und von Frankreich. Auch die Vereinigten Staaten, die kürzlich Strafzölle von 100 Prozent auf die Einfuhr von Elektroautos aus China verhängt haben, machen Druck. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai rief die mit den USA verbündeten Staaten dazu auf, ihrerseits Maßnahmen gegen chinesische Kfz-Produzenten zu ergreifen. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich bislang öffentlich dagegen aus. Der Grund liegt auf der Hand: Deutsche Kfz-Hersteller verkauften im vergangenen Jahr mehr als 216.000 Autos in die Volksrepublik, mehr als in jedes andere Land außer den USA und Großbritannien. Einschließlich ihrer in China gefertigten Fahrzeuge setzen sie zur Zeit zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Produktion in der Volksrepublik ab. Anders als Konzerne wie Renault und Stellantis (Peugeot, Fiat, Opel etc.), deren Marktanteile in China im niedrigen Null-Komma-X-Bereich liegen, bieten sie sich für chinesische Gegenmaßnahmen quasi auf dem Präsentierteller an.

Beijing hat in der vergangenen Woche in der Tat Gegenmaßnahmen in Aussicht gestellt. So erklärte die chinesische Handelskammer in Brüssel, die Pläne der EU-Kommission seien »politisch motiviert«; China werde »gezwungen sein, eine Reihe von Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen«. Halboffiziell wurden kürzlich Schritte gegen den Import von Agrarprodukten und Flugzeugteilen erwogen; bei beiden ist die Volksrepublik für die EU ein bedeutender Absatzmarkt. Darüber hinaus hat die chinesische Handelskammer in Brüssel über Gegenzölle in Höhe von 25 Prozent auf die Einfuhr von Fahrzeugen mit großen Motoren spekuliert; dies träfe der Sache nach besonders deutsche Premiumhersteller. Es kommt hinzu, dass BMW und Tesla eine größere Anzahl Elektroautos in China fertigen und sie in die EU exportieren; Brüssel müsste Wege finden, deren Fahrzeuge von den Strafzöllen auszunehmen. Dabei weiß niemand, ob die Strafzölle überhaupt zum gewünschten Ziel führen. Laut einer Studie der Analysefirma Rhodium Group verkaufen chinesische Kfz-Hersteller ihre Pkw in der EU zum Teil doppelt so teuer wie auf ihrem Heimatmarkt und könnten sogar 30-Prozent-Zölle gut verkraften – ganz davon abgesehen, dass etwa BYD eigene Werke in der EU baut.

Während die deutschen Autokonzerne offiziell gegen die Strafzollpläne der EU Position beziehen, sprach sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch für das Vorhaben aus. »Natürlich muss man genau schauen, dass Maßnahmen einem selbst mehr nützen als schaden«, sagte Habeck der Rheinischen Post. »Wichtig« sei daher ein »zielgenaues Vorgehen«. Allerdings dürfe man nicht nur kurz-, sondern müsse »mittel- und langfristig« denken. Dahinter steckt offenbar die Abwägung, es sei auf Dauer weniger nachteilig, in einem Handelsstreit mit China kurzfristig Schäden hinzunehmen, als für die deutsche Kfz-Branche ein ähnliches Schicksal wie das der deutschen Solarzellenhersteller zu riskieren. Die waren einst stark, verloren aber gegen die übermächtige chinesische Konkurrenz und sind heute bedeutungslos.

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