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Aus: Ausgabe vom 30.05.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Gründung der CGIL

Spaltung mit Langzeitwirkung

Vom Kommunismus zur Sozialpartnerschaft: Im Juni 1944 wurde der italienische Gewerkschaftsbund CGIL gegründet
Von Gerhard Feldbauer
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Massendemonstration nach faschistischem Bombenanschlag auf CGIL-Zentrale in Rom in der Nacht zum 9. Januar 1964

Im Juni erinnern italienische Gewerkschafter an einen historischen Jahrestag: die Gründung des einheitlichen Gewerkschaftsbundes Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL) am 9. Juni 1944. Erfolgt war sie während des nationalen Befreiungskampfes gegen das deutsche Besatzungsregime und seine italienischen Vasallen auf Initiative der Kommunistischen Partei (PCI) – in Übereinstimmung mit der Sozialistischen Partei (PSI) und der katholischen Strömung der Arbeiterbewegung. Die CGIL ist die Nachfolgeorganisation der 1906 von den italienischen Sozialisten gebildeten, von den Sozialdemokraten beherrschten Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGdL), die im Zuge der Errichtung der faschistischen Diktatur verboten worden war.

Mit dieser Wiedergründung wurde zunächst der Versuch der westlichen Besatzungsmächte vereitelt, die faschistischen Gewerkschaften in »Freie Gewerkschaften« umzuwandeln. Zusammen mit der Jugendorganisation Fronte della Gioventù (FdG) und der Frauenorganisation Unione Donne Italiane (UDI, gegründet 1943), die nicht parteigebunden auftraten, wurde mit der CGIL die Basis des antifaschistischen Widerstands verbreitert. Auch das führte zu steigenden Mitgliederzahlen des PCI: von 400.000 1944 auf über 1,7 Millionen 1945.

Die CGIL leistete besonders in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten einen wichtigen Beitrag sowohl bei der illegalen Betriebsarbeit und der Sabotage der Kriegsproduktion als auch bei der Vorbereitung des Generalstreiks und des bewaffneten Aufstands im Frühjahr 1945. Die Massenorganisation trug dazu bei, dass in der im Dezember 1947 angenommenen Verfassung der italienischen Republik soziale Grundsätze aufgenommen wurden, die noch heute eine gültige Grundlage der Gewerkschaftskämpfe sind. So etwa Artikel 1 (»Italien ist eine auf der Arbeit begründete Demokratische Republik«) oder in Artikel 4 die Anerkennung des »Rechts auf Arbeit« für alle Bürger.

Nach der Niederlage des Faschismus leistete die CGIL einen aktiven Beitrag zum Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung. 55,8 Prozent ihrer Mitglieder gehörten dem PCI an oder sympathisierten mit der Partei, 22,6 standen dem PSI nahe. Etwas mehr als ein Zehntel orientierte sich an der Christdemokratischen Partei (DC), die in Übereinstimmung mit den USA die Restauration der angeschlagenen kapitalistischen Machtverhältnisse betrieb.

Der maßgeblich von den Kommunisten beeinflusste einheitliche Gewerkschaftsbund war deshalb den USA und den Rechtskräften in der DC ein Dorn im Auge. Bereits 1948 spaltete sich der katholische Flügel der Gewerkschaftsbewegung von der CGIL ab, danach folgte die Abspaltung einer rechts- und einer linkssozialistischen Strömung. Letztere bildete im März 1950 die Unione Italiana del Lavoro (UIL), und wenige Wochen später gründeten die Katholiken und die Rechtssozialisten die Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL). Damit wurde die Gewerkschaftseinheit zerschlagen.

Heute weiß man, dass hinter den Kulissen dieser Spaltung Abgesandte des US-amerikanischen Gewerkschaftsbunds AFL operierten, die aufs engste mit der CIA verbunden waren. Die Operation leitete der »Gewerkschafter« Irving Brown, der später als Agent der CIA enttarnt wurde. Brown war ein enger Mitarbeiter von Jay Lovestone. Der ehemalige Kommunist koordinierte nach 1945 weltweit Manöver, mit denen der Einfluss von Kommunisten in der Gewerkschaftsbewegung reduziert werden sollte. Die Gewerkschaftsspalter konnten ihre Ziele in Italien jedoch lange Zeit nur teilweise realisieren, denn die CGIL blieb mit über vier Millionen Mitgliedern (heute 5,6) mit Abstand die nicht nur zahlenmäßig stärkste, sondern auch politisch einflussreichste Gewerkschaft. Sie stand dem PCI, so lange dieser existierte, nahe.

Aber die Spaltung hatte eine Langzeitwirkung, die durch den Untergang des PCI 1989/90 und die folgende tiefe Krise der Linken verstärkt wurde. Noch 2011 forderten die Gewerkschaften mit der CGIL an der Spitze in einem Generalstreik und auf Massenkundgebungen den Sturz der Regierung von Silvio Berlusconi und trugen damit entscheidend zu dessen Rücktritt am 12. November 2011 bei. Von dieser Bereitschaft zur politischen Intervention ist in den Gewerkschaftsführungen kaum etwas übrig geblieben. Solchen Forderungen verschließen sich heute nicht nur die CISL oder die UIL, auch wenn letztere oft zusammen mit der CGIL auftritt. Auch die CGIL agiert vor allem auf tariflicher Ebene und betreibt eine Sozialpaktstrategie. Bei allen Kampfaktionen bis zum jüngsten Generalstreik im Mai steht neben den sozialen Forderungen immer das Angebot von Generalsekretär Maurizio Landini, darüber mit der Meloni-Regierung zu verhandeln. Das nimmt den Forderungen die Stoßkraft.

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