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Aus: Ausgabe vom 03.06.2024, Seite 2 / Inland
Demo gegen Verdrängung

»Kurz danach die Kündigung«

Stärkste Mietsteigerungen in Hauptstadtregion. Protestdemo in Berlin
Von Susanne Knütter
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Mieter mit Eigenbedarf am Sonnabend in Berlin

Auch »strukturschwache« und ländliche Regionen bleiben nicht mehr verschont von abenteuerlichen Mietzuwächsen. Selbst in der brandenburgischen Prignitz, dem am schwächsten besiedelten Landkreis Deutschlands, stiegen die Mieten in den Inseraten 2023 gegenüber 2022 um 18 Prozent. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei Die Linke im Bundestag hervor, über die die Agenturen am Wochenende berichteten. Am stärksten erhöht wurden die Mieten demnach in der Hauptstadtregion. Spitzenreiter unter allen Landkreisen und kreisfreien Städten ist Potsdam mit einem Plus von 31,2 Prozent bei Erst- und Wiedervermietungen. Es folgt die Hauptstadt selbst mit einer Verteuerung um 26,7 Prozent.

Was die hohen Kosten und die eng damit verknüpfte Verdrängung von »Altmietern« bedeuten, schilderten Teilnehmer der Demonstration gegen die Wohnungspolitik des Berliner Senats und der Bundesregierung am Sonnabend in Berlin. »Jeden Tag hören wir von Eigenbedarfskündigungen«, sagte eine Mieterin aus Pankow, wo die Verdrängung derzeit in rasendem Tempo vorangetrieben wird. »Immer öfter laufen Wildfremde durch unsere Wohnungen und sagen Sätze wie: ›Das ist aber schön hier‹.« Die Vermieter beschwichtigten: Das seien »nur« Investoren. Kurze Zeit später folge dann oft die Kündigung. Die Mieter, die sich wehren wollen, müssten Gerichtsverhandlungen führen, »egal ob sie alt, jung, krank sind oder Familie haben«. Aber »wir organisieren uns. Und wir gewinnen Prozesse«, erzählt die Mieterin.

Auch im Ortsteil Wannsee, bislang eher nicht für Mieterkämpfe bekannt, wehren sich Mieter von Vonovia gegen die Verfünffachung ihrer Nebenkosten. »In Wannsee leben nicht nur Millionäre«, sagte Sebastian Fiechter gegenüber jW. Eine Nachbarin hakte ein: »Auch ganz normale Menschen ohne Geld.« Die Energiequelle sei Bio- und Deponiegas. Trotzdem hätten sich die Kosten vervielfacht. Gemeinsam verweigern sie nun die Begleichung der Zahlungsforderungen.

Gut 6.000 Menschen folgten am Sonnabend dem Demoaufruf. Der neue »Aufbruch« für die Mieterbewegung, von dem eine Rednerin der Initiative »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« in ihrem Beitrag sprach, fiel damit kleiner aus als erhofft – obwohl auf dem Papier fast 200 Organisationen, Initiativen und Gruppen die Veranstaltung unterstützten. An den großen Mietendemos am Ende der 2010er Jahre hatten sich mehrere zehntausend Menschen beteiligt.

Dabei ist der wohnungspolitische Kampf längst existentiell. Eine Mieterin, die aus ihrer Wohnung in Tempelhof ausziehen musste, berichtete von 187 Anläufen, bis sie schließlich ein neues, kleineres Quartier bekam. Oft genug findet sich keine leistbare Ausweichmöglichkeit. Eine Tafel am Demowagen von »Gemeinsam gegen Obdachlosigkeit und Zwangsräumung« erinnerte an die Todesopfer von Verdrängung und Obdachlosigkeit. »Wir haben Eigenbedarf.« Und wir sind viele. Das betonten alle Redner auf der Demonstration – die aber auch gezeigt hat, dass es harter und kontinuierlicher Arbeit bedarf, um diese Mehrheit auf die Straße zu bekommen.

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