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Aus: Ausgabe vom 03.06.2024, Seite 4 / Inland
Kriegsvorbereitungen

»Pfund« gegen Putin

FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann fordert »Aktivierung« von 900.000 Bundeswehr-Reservisten. SPD stellt Grundlage für Zahl in Frage
Von Kristian Stemmler
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EU-Wahlplakat der FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Köln, 8.5.2024)

Wenn es gegen Russland geht, scheint der Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann kein Schritt zu weit. Am Wochenende hat die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und FDP-Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonnabend) die Aktivierung von 900.000 Bundeswehr-Reservisten eingefordert. Es gelte, mit dem Gegner mitzuhalten, denn Russlands Präsident Wladimir Putin trimme sein Volk auf Krieg und bringe es »in Stellung gegen den Westen: Daher müssen wir so schnell wie möglich verteidigungsfähig werden«.

Russland produziere »nur noch Waffen«, behauptete Strack-Zimmermann. Es würden Schulbücher gedruckt, »die Deutschland als Aggressor darstellen«, und Grundschulkinder an der Waffe ausgebildet. Das alles sei »beängstigend«. Und darum müssten jetzt »die ungefähr 900.000 Reservisten aktiviert werden, die wir in Deutschland haben«, sagte die FDP-Politikerin. Wobei »aktiviert« zunächst bedeute, sie zu registrieren. Die Bundeswehr habe Soldaten, die aus dem aktiven Dienst ausgeschieden seien, über Jahrzehnte nicht mehr erfasst, beklagte Strack-Zimmermann. Wenn es gelänge, »nur die Hälfte davon mit ihrer entsprechenden Expertise als Reservisten« zu gewinnen, »wäre das ein unglaubliches Pfund«.

Die Bundeswehr definiert Reservistinnen und Reservisten als »alle früheren Soldatinnen und Soldaten«, die ihren Dienstgrad nicht verloren haben, sowie »Personen, die aufgrund einer mit dem Bund eingegangenen Verpflichtung zu einer Wehrdienstleistung« nach dem Soldatengesetz »herangezogen werden können«. Woher Strack-Zimmermann die Zahl von »ungefähr 900.000« hat, ließ sie offen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Hellmich, erklärte jedenfalls gegenüber dem Tagesspiegel, dass die Zahl jeder Grundlage entbehre und in die Irre führe.

Beifall für den Vorstoß kam dagegen vom Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. Dessen Vorsitzender Patrick Sensburg, ein früherer CDU-Bundestagsabgeordneter, forderte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (Onlineausgabe vom Sonntag) die Aufstockung der aktiven militärischen Reserve auf mehr als eine halbe Million Menschen. Notwendig sei, dass Deutschland etwa dreimal so viele einsatzfähige Reservisten habe wie aktive Soldatinnen und Soldaten. Bei der derzeitigen Größe der Bundeswehr (etwa 180.000) liefe das auf etwa 540.000 Reservistinnen und Reservisten hinaus.

Der Reservistenverband zählt nach eigenen Angaben »mehr als 115.000 Mitglieder«. Sensburg zufolge gibt es momentan nur gut 40.000 Reservisten, die jährlich an Übungen teilnehmen. Weitere gut 810.000 registrierte Reservisten seien zwar im Alter von unter 65 Jahren. Diese Gruppe nehme aber seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 nicht oder kaum mehr an Übungen teil. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), spricht in ihrem Jahresbericht für 2023 davon, dass »insgesamt 43.065 Reservistinnen und Reservisten beordert« worden seien. Im Berichtszeitraum »unterstützten 19.084 Reservistendienst Leistende – beorderte und nicht beorderte – die aktive Truppe«.

Sensburg hatte bereits vor einigen Wochen vorgeschlagen, alle ehemaligen Bundeswehr-Angehörigen systematisch mit Blick auf deren Gesundheitsstatus und Verfügbarkeit zu erfassen, um sie im »Heimatschutz« sowie in der Landes- und Bündnisverteidigung einzuplanen. Gegenüber der Rheinischen Post vom Sonnabend lobte er Strack-Zimmermanns Vorschlag als klug, »denn uns läuft die Zeit davon, wenn wir Krieg verhindern wollen«. Sein Verband arbeite daran, wie man die Bundeswehr bei der Reaktivierung und bei der Überprüfung des Gesundheitszustands durch approbierte Ärzte, die auch Reservisten seien, unterstützen könne. Reservisten seien für die Sicherung des »rückwärtigen Raums« ebenso wie für den militärischen Einsatz in späteren Phasen eines Verteidigungskrieges essentiell.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf Gerkan aus Hannover (4. Juni 2024 um 17:01 Uhr)
    Die Frau Stracks-immer-rin-in-den-Wahn hat da mal wieder eine Blüte ihres »Könnens« zum besten gegeben. Ihre Lügen sind zahlreich: »Das erklärte Ziel von Wladimir Putin bleibt ja, dass er die komplette Ukraine einnehmen will« (2023 in Talkshow Maischberger), Putin bringt jeden Tag 400.000 Menschen um (Wahlkampfauftritt in Ravensburg 2024), Raketeneinschlag in Polen voreilig den Russen in die Schuhe geschoben (2022), das sind nur ein paar Beispiele ihrer Verblendung. Dass sie da Putin unterstellt, er würde nur »die Sprache der Stärke« verstehen (2023), dürfte da meiner Meinung nach mehr die Denkweise einer dummen Kriegshetzerin widerspiegeln als die des kühl-rationalen und hochintelligenten Herrn Putin. Der weiß nämlich, dass hinter allem Wertegerede des Westens nur ein einziger Wert steht: Die Gier nach Macht und Geld. Hätte man statt auf diesen Unwert auf das Völkerrecht gesetzt und die Minsker Abkommen umzusetzen geholfen, sähe die Welt heute viel besser aus. Mit Verteidigung hat die vorgeblich notwendige »Aktivierung« von 900.000 Reservisten von daher nichts zu tun, sondern vielmehr nur mit einer Intensivierung des westlichen Angriffs auf das Völkerrecht zugunsten der Sicherung der westlichen Vorherrschaft. Die einfachen Soldaten werden dagegen nur belogen, wofür sie kämpfen sollen. Als Wehrpflichtigen hatte man uns vor vier Jahrzehnten in der politischen Bildung erzählt, der damalige Artikel 23 des Grundgesetzes sei ausschließlich für die Aufnahme des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland gedacht und keineswegs für die Aufnahme der DDR. Der Artikel sei komplett obsolet. Bekanntlich war er das nicht, sondern die Aufnahme der DDR in die BRD ist exakt nach diesem vorgeblich obsoleten Artikel erfolgt. Nein, für die Verlogenheit der politisch herrschenden Klasse darf kein Blut vergossen werden! Die Fokussierung auf militärische Lösungskonzepte muss endlich zugunsten einer die wirklichen Ursachen des Konflikts angehenden Lösung aufgegeben werden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Detlev Schulz (3. Juni 2024 um 15:54 Uhr)
    Es ist der Gesundheit eines denkenden Menschen abträglich, sich dieser täglichen Steigerung von Hasstiraden auszusetzen. Man hat Krieg bestellt, man wird Krieg bekommen! ASZ und Konsorten werden die Eskalation aus sicherer Entfernung verfolgen! Haben die diplomatischen Dienste die Anweisung bekommen, ihre Tätigkeit einzustellen? Unabhängig von persönlichen Sympathien beruht der Sinn dieses Berufsstandes darauf, auch mit Personen einen »kleinsten gemeinsamen Hauptnenner« zu finden, die man persönlich zuwider finden mag! Das ist eure Aufgabe! Damit kann man Völker retten! Wenden wir uns den in der Medienindustrie schaffenden Figuren zu: Sie sind in der Tat die wahren Künstler der Manipulation. Jeden Tag mit bedeutsamen, frenetischen Gesichtern, perfekt synchronisiert werden Hasstiraden unter die Bevölkerung geworfen. Wie wäre es, wenn diese Herrschaften eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, sich im Kriegsfall an der Front zu melden. Aber nicht im Bereich der rückwärtigen Dienste, sondern im Schützengraben, wo Blut fließt und zerfetzte Innereien durch die Gegend fliegen? Könntet ihr euch dann vorstellen, eure Absonderungen einzuschränken? Oder grenzt eure Abrichtung tatsächlich schon an Selbstaufgabe? Die Figur ASZ hat ihre Stoßrichtung gemäß Reservisten durchaus clever gewählt. Dank der in reichlicher Anzahl vorhandenen »Resi-Vereine«, also Typen, die Stolz darauf sind, sich im Dreck zu wühlen, könnten die ihre Triebe endlich wieder ausleben. Von dieser Truppe dürfte kein Widerspruch zu erwarten sein. Was ist mit Menschen, die Söhne und Enkel haben? Keine Angst um deren Selbsterhalt? Glaubt ihr im Ernst, ihr könntet sie bei euch im Keller verstecken? Das funktioniert nicht, Denunzianten sind reichlich vorhanden, verlasst euch drauf! Was soll ich tun? Wie viele Vereine gibt es in Deutschland! Wieviel Themenabende kann man organisieren! Man könnte selbige im Sinne der Aufklärung gestalten: Eine Idee wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift!
  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (3. Juni 2024 um 11:37 Uhr)
    Agnes Strack-Zimmermann … das ist die Frontfrau der »Ewig klammen FDP«, einer Partei aus ausgesuchten und zusammengewürfelten Karrieristen/Innen, die stets auf der Suche ist nach »Gutdotierten Posten« in der Wirtschaft, egal ob prädestiniert oder nicht. Aber so sind sie und waren sie immer, diese FDPler. Nun pocht die »Kriegsoma« darauf, dass 900.000 tausend Reservisten der Bundeswehr mobil gemacht werden. 3.500.000 Soldaten wurden letztes Mal aktiviert, um dem BÖSEN RUSSEN eines auszuwischen. Irgendeine »Bahn« gezogen? Oder hat sie Hofreiter und Kiesewetter an der Theke getroffen? Sie wird uns bald mitteilen, wie sie auf diese krumme Zahl gekommen ist. Oder drohte Rheinmetall wegen »Fachkräftemangel« einzuschreiten und einen Posten zu streichen? Aber Hauptsache: »Die Augen rechts … Agnes!«
  • Leserbrief von Lothar Böling aus Düren (3. Juni 2024 um 11:14 Uhr)
    Was für ein Unsinn! Was Marie-Agnes Strack-Zimmermann hier mal wieder verbreitet, ist nur etwas für politisch Unwissende und Gutgläubige. Um 900.000 deutsche Reservisten zu aktivieren, verbreitet sie das Märchen vom bösen Russen, auf das schon unsere Großeltern 1914 hereingefallen sind. Was die Märchentante verschweigt, ist die seit 1999 betriebene NATO-Osterweiterung. Also das Vorrücken von NATO-Truppen, über 1.000 Kilometer, bis an Russlands Grenze. Es sind nämlich die gierigen Ausbeuter aus dem Westen, die hier mal wieder einen Raubzug Richtung Osten betreiben und nicht Russland. Noch 1990 hatte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) im Beisein von US-Außenminister Baker öffentlich erklärt: »Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir uns nicht einverleiben wollen, sondern es gilt ganz generell.« Wie man sieht, war das ebenso gelogen, wie das, was heute als Bedrohung aus dem Osten verbreitet wird. Die »Getreidefelder in der Ukraine« und die »Erdölfelder im Kaukasus«, waren nämlich schon 1941 ein begehrtes Ziel deutscher Imperialisten. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, wie der vom Westen betriebene ukrainische Regime-Change in Kiew (Euro-Maidan) 2014 sehr anschaulich belegt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist, wie viele andere Politiker auch, eine aggressive Handlangerin der deutschen Rüstungsindustrie. Das US-Präsident Biden der Ukraine nun erlaubt, mit NATO-Waffen Ziele in Russland zu beschießen, passt dazu. Die von der US-Regierung geführte NATO ist nun mal die größte und aggressivste Angriffsarmee der Welt.

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