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Aus: Ausgabe vom 03.06.2024, Seite 7 / Ausland
Sahel

Allianz »von Tragweite«

Französische Verbündete trainieren mit antikolonialen Sahelstaaten
Von Pablo Flock
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Nähern sich an: Nigers Premierminister Ali Lamine Zeine mit dem tschadischen Kollegen Deby (N’Djamena, 23.5.2024)

Die Militärs der Allianz der Sahelstaaten (Alliance des États du Sahel, AES) haben seit dem 26. Mai ihre ersten gemeinsamen taktischen Manöver im nigrischen Tillia abgehalten. Dem gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich gerichteten Trend stattgebend, nehmen auch Soldaten aus dem Tschad und aus Togo teil, wie die französische Zeitung Le Monde berichtet. Wahrscheinlich bekam das Manöver deswegen den großspurigen Titel »D'Envergure«, zu deutsch: »Von Tragweite«.

Die AES wurde im vergangenen Jahr durch Mali, Burkina Faso und Niger gegründet. Nachdem sich dort zwischen 2020 und 2023 Militärs an die Macht geputscht hatten und die französischen und internationalen Militärmissionen herauswarfen, zeigten sie damit Einigkeit gegenüber einer angedrohten Militärintervention durch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Tschad und Togo hingegen werden in dynastischer Despotenmanier von zwei Präsidenten regiert, die – unterstützt durch Frankreich und die heimischen Generäle – diese Rolle von ihren Vätern übernommen hatten. Den Verfassungsputsch im Tschad, in dem das unterdessen durch Wahlen bestätigte Staatsoberhaupt Mahamat Idriss Déby nach dem Tod seines Vaters von den Generälen als Nachfolger eingesetzt wurde, zogen die Putschisten in Mali und Burkina Faso als Beispiel dafür heran, dass der Westen einen Umsturz maßgeblich danach bewertet, inwieweit die übernehmenden Militärs bereit sind, seinen Interessen zu entsprechen.

Als die Invasion durch die ECOWAS drohte, wiesen Beobachter darauf hin, dass ausgerechnet diese dynastischen Despoten von Frankreichs Gnaden aus der Reihe fielen, indem sie für diplomatische Lösungen warben und Verhandlungskanäle offenhielten, statt in eine Militärintervention gegen Niger mit einzustimmen. Eine weitere Annäherung des Tschads an die Nachbarschaft wurde mit der Verlautbarung der AES öffentlich, dem Land eine Mitgliedschaft in Aussicht zu stellen.

Als sich Präsident Déby im Januar beim Afrikagipfel im Kreml ablichten ließ, zeichnete sich bereits eine engere militärische Kooperation mit Russland ab, was auch ein Grundpfeiler der Sicherheitspolitik der AES-Staaten darstellt, in denen russische Söldner und »Militärausbilder« die Aufgaben der französischen Armee und der beendeten Ausbildungseinsätze der EU übernahmen. Kurz nachdem die nigrische Regierung im März das militärische Kooperationsabkommen mit den USA aufgelöst hatte, welches sie als »einseitig auferlegt« beschrieb, und noch bevor das russische Afrikakorps in Niger einzog, komplimentierte auch der Tschad im April eine in der Hauptstadt N'Djamena stationierte US-amerikanische Spezialeinheit hinaus. Zeitgleich mit den rund 60 russischen Soldaten, die die US-Amerikaner auf ihrer weltweit größten Drohnenbasis in Niger in Bedrängnis oder zumindest Erklärungsnot brachten, hielten auch im Tschad 130 Soldaten der nun dem russischen Verteidigungsministerium unterstellten Nachfolgeorganisation der »Wagner«-Gruppe Einzug, wie Afrique Media berichtet. Frankreich, welches das tschadische Regime von Déby Senior mehrfach durch Bombardierung von auf die Hauptstadt vorrückenden Rebellen rettete, scheint heute in der Gegend nicht mehr als ausreichender Garant gesehen zu werden – auch wenn das französische Kontingent im Tschad bisher noch bleiben darf.

Die sich selbst offenbar stärker an die Macht klammernden und autoritärer werdenden Regierungen der Sahelstaaten werden jedoch nicht nur von den autoritärsten Langzeitherrschern des profranzösischen Blocks in Westafrika umworben. Auch der neue Präsident des Senegals, welcher als stabilste Demokratie der Region gilt, gewann die Wahl im März mit dem Versprechen einer wirtschaftlichen und politischen Loslösung von Frankreich und reiste in der symbolträchtigen ersten Auslandsreise seit Amtsantritt am Donnerstag in die Sahelstaaten. Dort warb er für den Wiedereintritt in die ECOWAS. Wenn nun der französische Einfluss auf die anderen Regierungen in der Regionalorganisation schwindet, könnten die Bedenken der souveränistischen Saheljunten genommen werden, die die Organisation als Machtvehikel Frankreichs sehen. Damit wäre ein Dialog über die gemeinsame Zukunft in der Region wieder offen. Den Bevölkerungen bleibt zu wünschen, dass demokratische Teilhabe darin eine größere und freiere Rolle spielt, als unter den sich zu retten suchenden profranzösischen Despoten.

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