Die große Dunkelheit
Von Michael Saager![imago0080618560h.jpg](/img/450/195592.jpg)
Die Lektüre von John Burnsides autobiographischem Roman »Lügen über meinen Vater« (2011) ist brutal. Dem gewalttätigen, alkoholkranken Vater ausgesetzt in der Kälte eines Zuhauses, das keines ist, erscheint einem nicht einmal als schlimmste Erfahrung des Ich-Erzählers. Dass er selbst dabei ist, sich ähnlich zu entwickeln, kommt einem noch düsterer, tragischer vor. Kein Entrinnen.
»Wie alle anderen« (2016) lässt sich als Fortsetzung lesen. Abermals steckt sehr viel Burnside in der Hauptfigur, doch geht es nicht länger um die Kindheit, sondern um sein Leben als junger Erwachsener. Den gewalttätigen Vater hat er in diesem in den 1980ern angesiedelten Roman hinter sich gelassen. Allerdings wiegt dessen Hypothek schwer wie Blei. Und so erzählt Burnside, 1955 in der schottischen Stadt Dunfermline geboren, feinfühlig und reflektiert, mit dramaturgischem Geschick und Kennerblick für tragikomische Abgründe vom langen Weg heraus aus einer Welt der Drogen, der Alkoholsucht und schwerer schizophrener Schübe in Richtung »Normalität«.
Eine andere Normalität, die des Todes, hat den vielfach ausgezeichneten Schriftsteller und Lyriker bereits am Mittwoch eingeholt. Er sei nach kurzer Krankheit im Alter von 69 Jahren gestorben, teilte der Verlag Jonathan Cape am Freitag mit. »Irrationalität interessiert mich mehr als alles andere. Manchmal ist sie sehr gefährlich, aber sie kann unglaublich schön sein«, sagte Burnside einmal. Das mag sein, gleichwohl hat man bei der Lektüre vieler seiner Werke das Gefühl, dass sie an einem Ort geschrieben wurden, an dem große Dunkelheit herrscht.
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