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Aus: Ausgabe vom 06.06.2024, Seite 2 / Ausland
Landarbeiter in Guatemala

»Viele junge Leute gehen Richtung Norden«

Guatemala: Präsident ernennt Gouverneure per Dekret. Landarbeiter spüren Abwanderung. Ein Gespräch mit Keyla Pérez und Candido López Ramírez
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
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Nicht einfach: Die autonome Organisierung von Landarbeitern

Ende April hat Guatemalas neuer progressiver Präsident Bernardo Arévalo die Gouverneure teilweise per Dekret im Land neu ernannt – nach dem Widerstand der alten Eliten. Mehrere Kandidaten aus sozialen Bewegungen und indigene Aktivisten sind vertreten, so auch der Gouverneur Ihres Departamentos San Marcos, Rolando López Crisóstomo. Was bedeutet das für Sie als Landarbeiterorganisation Movimiento de Trabajadores Campesinos, MTC?

Candido López Ramírez: Ja, Rolando López wurde ernannt. Wir kennen ihn. Er hat versprochen, sich etwa des Problems der nicht oder unzureichend gezahlten Renten der Arbeiter auf den Fincas anzunehmen. Es gibt aber auch viel Skepsis, denn er kann allein nicht viel ausrichten. Er braucht die Bürgermeister. Doch die sind von den Parteien der alten Machtelite. Auch spielt die organisierte Kriminalität eine große Rolle: Es gibt Bürgermeister, die hier im Grenzgebiet zu Mexiko mit den Drogenbanden zusammenarbeiten sollen. Das alles wird schwierig für Arévalo und auch für den Gouverneur.

Können Sie Ihre Bewegung MTC kurz vorstellen?

Keyla Pérez: Gegründet wurde unsere Organisation 1997 als Teil der Diözese San Marcos der katholischen Kirche. Wir organisieren die juristische und politische Begleitung von Arbeitskämpfen auf den Fincas, außerdem bieten wir noch Kurse in verschiedenen Bereichen des Handwerkes an und haben Kooperativen für Kleinkredite. Seit 2005 bieten wir politische Bildung für Jugendliche, Erwachsene und Frauen sowie juristische Beratung.

2004 haben Sie sich organisatorisch von der Diözese getrennt. Warum?

K. P.: Es gab damals Drohungen gegen Bischof Álvaro Ramazzini, der von 1998 bis 2012 die Diözese leitete. Er wurde auch wegen seines Widerstandes gegen die Gold- und Silbermine Marlin in den Landkreisen San Miguel Ixtahuacán und Sipacapa bedroht, wo auch wir uns beteiligten. Daher erschien uns die organisatorische Trennung damals sinnvoll. Es gab auch interne organisatorische Umstellungen, die diesen Schritt nötig machten. Wir arbeiten aber weiterhin mit der Diözese zusammen, zum Beispiel bei Demonstrationen.

In Deutschland sind die katholische Kirche und die Arbeiterbewegung nicht gerade engste Verbündete.

C. L. R.: Bischof Ramazzini ist in Guatemala ein bekannter Aktivist gegen Landraub und Großprojekte sowie für die Rechte der Landarbeiter. Auch seine beiden Nachfolger als Bischöfe sind sehr offen für diese Themen, für die Verteidigung der Territorien. Es gibt auch Bischöfe, die zum Beispiel mit den Besitzern der Fincas Allianzen bilden. Auch sind wir keine religiös gebundene Organisation.

Politische Aktivitäten sind in Guatemala immer noch sehr von Männern dominiert. Wie ist das in Ihrer Organisation?

K. P.: Am Anfang war es tatsächlich so, dass es überwiegend Männer waren. Mittlerweile hatten wir auch schon Frauen in der Leitung unserer Organisation, und in den Vorständen in den Landkreisen sind mehr Frauen als Männer.

San Marcos zählt zu den Bezirken mit der höchsten Auswanderung. Wie wirkt sich das auf Ihre Organisation aus?

C. L. R.: Viele Leute in leitenden Positionen in unserer Organisation verschwinden praktisch über Nacht, eine ehemalige Präsidentin noch während ihrer Amtszeit. Auch auf der Ebene der Gemeinden und Landkreise passiert das.

Und was heißt das für die Arbeitskämpfe? Ich hörte, manche Fincas haben wegen der starken Auswanderung gar nicht mehr genug Arbeitskräfte, zum Beispiel in der Erntezeit. Können Sie ausnutzen, dass die »Reservearmee« kleiner wird?

K. P.: Es ist richtig, dass manche Fincas Schwierigkeiten haben, genug Arbeitskräfte für die Erntezeit zu finden, daher haben sie auch tatsächlich den Lohn pro Quintal (ca. 46 Kilogramm, jW) gepflügten Kaffee erhöht. Von früher etwa 40 Quetzal (etwa 4,70 Euro, jW) auf 60 Quetzal (etwa 7,10 Euro, jW). Gerade viele junge Leute wollen die schlechten Bedingungen auf den Fincas nicht mehr mitmachen und gehen in Richtung Norden. Insgesamt ist die Kaffeeproduktion aber in der Krise. Kautschuk gewinnt an Bedeutung, da sind die Bedingungen teilweise noch schlechter.

Keyla Pérez ist Koordinatorin für die Küstenregion und Candido López Ramírez ist Generalkoordinator des MTC

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