75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 2. Juli 2024, Nr. 151
Die junge Welt wird von 2819 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 05.06.2024, Seite 2 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

»Die Verknüpfung ist überaus problematisch«

NRW: Klage gegen Demoverbot in Duisburg. Laut Polizei Verbindung zu Palästina-Gruppe. Ein Gespräch mit Rina Ajeti
Interview: Henning von Stoltzenberg
imago0312531076h.jpg
Konnte noch stattfinden: Demonstration in Solidarität mit Palästina vor dem Hauptbahnhof in Duisburg (4.11.2023)

Eine Demonstration in Solidarität mit Palästina, die für den 25. Mai in Duisburg geplant war, ist vor Beginn verboten worden. Welche Rechtsmittel haben Sie dagegen eingelegt?

Wir haben Klage gegen die Verbotsverfügung eingelegt und gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte ab, weil es als erwiesen ansah, dass die Anmelderin der PSDU zugehörig sei. Auch das Oberverwaltungsgericht NRW legte die daraufhin eingelegte Beschwerde mit ähnlicher Begründung ab.

Sie sprechen von der zuvor vom nordrhein-westfälischen Innenminister, Herbert Reul von der CDU, verbotenen Gruppe »Palästina-Solidarität Duisburg«. Wie hatte die Polizei als Versammlungsbehörde das Demonstrationsverbot begründet?

Die Polizei behauptete, die Versammlung diene dazu, den organisatorischen Zusammenhalt der kürzlich verbotenen Gruppe zu festigen. Dass die Versammlung von einer Einzelperson angemeldet und von zahlreichen palästinasolidarischen Gruppen aus NRW beworben wurde, übersah die Polizei. Statt dessen wurde die Anmelderin als PSDU-nah eingeschätzt und ihr aufgrund dessen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit abgesprochen.

Wie ordnen Sie diesen Schritt der Polizei ein?

Mit dem Versammlungsverbot wurde die Wirkung des Vereinsverbots letztlich auf Einzelpersonen ausgeweitet. Das Vereinsverbot hat eben eine Gruppe getroffen, die ein Palästina frei von Siedlerkolonialismus, Besatzung und Apartheid forderte. Die Teilnehmenden der verbotenen Versammlung hätten mit Sicherheit nichts anderes gefordert. Die PSDU wurde schlicht und ergreifend aufgrund ihrer Meinungen verboten, die der »deutschen Staatsräson« widersprechen. Derweil wurde die Versammlung aufgrund einer konstruierten Verbindung zur verbotenen Gruppe untersagt. Ich halte diese Verknüpfung einer Palästina-Demo mit einem nicht rechtskräftigen Vereinsverbot für überaus problematisch. Eine Versammlung in Gedenken an die Nakba wurde also kurzerhand in eine »PSDU-Veranstaltung« umgedeutet.

Außerdem behauptete die Polizei, dass es Anhaltspunkte für die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gäbe. Letzteres wurde von den Gerichten dahingehend ausgelegt, dass der »Hoheitsakt« des Vereinsverbots in Gefahr sei, wenn eine Versammlung, die zuvor angeblich »im Auftrag« der PSDU angemeldet wurde, unter demselben Motto, mit derselben Route, am selben Tag durchgeführt worden wäre.

Heißt das, dass künftig alle politischen Versammlungen mit Palästina-Kontext in Duisburg verboten werden können?

Wenn man den Worten des Verwaltungsgerichts Düsseldorf folgt, hätte die Anmelderin schon am nächsten Tag die gleiche Versammlung anmelden können, ohne dass sie verboten worden wäre. Dann, so interpretiere ich das Gericht, könne ausgeschlossenen werden, dass PSDU an der Versammlung mitwirke. Die Absurdität ist offensichtlich.

Immerhin konnte eine Demo gegen das Verbot stattfinden, allerdings in Essen. Konnte diese ohne Repressalien ablaufen?

Den Anmeldern der Essener Demo wurde mündlich auferlegt, nicht über Palästina selbst zu sprechen und sich ausschließlich auf das Duisburger Demoverbot zu beschränken. Ein Teilnehmer wurde von der Polizei herausgegriffen, weil er ein Plakat mit der Aufschrift »Verfassungsfeinde Reul und Co. vor Gericht« trug. Dies stelle den Anfangsverdacht einer Straftat dar. Dasselbe galt für zwei Plakate, auf denen Wassermelonenstücke in Form der Grenzen Palästinas abgebildet waren.

Demo-Verbote und Meldeauflagen gegen Aktivisten der verbotenen Gruppe PSDU: Wird das jetzt zur gängigen Praxis?

Ein ehemaliges PSDU-Mitglied erhielt innerhalb von 24 Stunden zwei Ordnungsverfügungen, die ihm die Teilnahme an zwei Versammlungen mit Palästinabezug untersagten. Seine Teilnahme würde die öffentliche Sicherheit gefährden. Zur Begründung angeführt wurden unter anderem unbestimmte laufende Ermittlungen, eine Buchveröffentlichung und eine im August 2023 angemeldete Kundgebung unter dem Motto »Hände weg von Niger!«. Außerdem versah die Polizei diese Verfügungen jeweils mit einer Meldepflicht bei abgelegenen Polizeistationen.

Solch massive Maßnahmen gegen eine Einzelperson weiten das Vereinsverbots auf die individuellen Grundrechte des Betroffenen aus, sie wirken einschüchternd und einschränkend. Dagegen ist gerichtlich vorzugehen.

Rina Ajeti ist in Dinslaken anwaltlich tätig

Großes Kino für kleines Geld!

75 Augaben für 75 €

Leider lässt die Politik das große Kino vermissen. Anders die junge Welt! Wir liefern werktäglich aktuelle Berichterstattung und dazu tiefgründige Analysen und Hintergrundberichte. Und das zum kleinen Preis: 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt erhalten Sie mit unserem Aktionsabo für nur 75 €!

Nach ablauf endet das Abo automatisch, Sie müssen es also nicht abbestellen!

Ähnliche: