»Wir müssen verdeutlichen, wo das Geld zu holen ist«
Interview: Gitta DüperthalBei der 14. ATTAC-Sommerakademie in Marburg, die bis Sonntag andauerte, ging es unter anderem um die Frage, warum die soziale Ungleichheit nicht automatisch zu mehr Widerstand dagegen führt. Wie blicken Sie dahin gehend auf die Lage der außerparlamentarischen Linken?
Genau das prägte die Debatte in Marburg mit rund 120 Beteiligten: Die Bevölkerung nimmt die Gesellschaft als sozial ungerecht wahr und möchte Umverteilung. Zugleich aber gelingt es der Linken nicht, diese Kräfte für eine andere Politik zu mobilisieren. Mit welchen Erzählungen also können wir verdeutlichen, dass eine sozial-ökologische Transformation dringend notwendig sowie auch möglich ist? Diesen gesellschaftlichen Wandel zu finanzieren, erfordert Geld. Wir müssen dafür sorgen, dass vermögende Menschen in der Gesellschaft dafür aufkommen und der ärmere Teil entlastet wird. Denn 2021 besaß in Deutschland das reichste Zehntel fast 60 Prozent des Vermögens, die ärmere Hälfte gerade einmal drei Prozent. Zugleich haben letztere nur einen geringen »ökologischen Fußabdruck«, sind aber am stärksten belastet.
Wie wollen Sie gesellschaftliche Mehrheiten dafür gewinnen, sich für ein Zusammengehen von ökologischer und sozialer Veränderung einzusetzen?
ATTAC unterstützt die europäische Bürgerinitiative »Tax the Rich«, um auf EU-Ebenen Mehrheiten für die höhere Besteuerung von großen Vermögen zu finden. Zugleich fordern wir die deutsche Ampelregierung auf, das Klimageld auszuzahlen. In deren Koalitionsvertrag war es vereinbart, wurde aber nicht umgesetzt. Finanzmittel wären da, werden aber falsch eingesetzt.
Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Klima- und Transformationsfonds gingen der Bundesregierung allerdings mehrere, bereits eingeplante Milliarden Euro verloren, unter anderem für das »Klimageld«. Aber noch mal zur Schwäche der Linken: Was antworten Sie der Soziologin Silke Ötsch, die im Rahmen Ihrer Akademie fragte, was daraus gelernt werden kann?
Wir müssen besser verdeutlichen, welche Umverteilungspotentiale es gibt und darauf achten, dass wir nicht missverstanden werden. Wir wollen nicht etwa die Mittelschicht belasten, sondern die Superreichen! Bei der Klimaschutzfinanzierung gilt es zu verdeutlichen, wo das Geld zu holen ist. Statt das über den CO2-Preis eingenommene Geld als Klimageld umzuverteilen, subventioniert die Bundesregierung den Bau des US-Chipherstellerkonzerns Intel in Magdeburg mit fast zehn Milliarden Euro.
Und wie wurde die Frage diskutiert, wie der Rechten zu begegnen ist?
Um Menschen den Rechten nicht geradezu in die Arme zu treiben, müssen die Kosten für den ökologischen Umbau sozial gerecht verteilt werden. ATTAC wird zur Aktion des Bündnisses »Widersetzen« im Juni gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen mobilisieren.
Sie sprechen von einer »sozial-ökologischen Transformation«. Heißt das, ATTAC will das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht überwinden?
Es reicht nicht, den Kapitalismus nur grüner zu machen. Wir brauchen einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Im Verkehrssektor brauchen wir eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs, statt lediglich einer Antriebswende bei Autos. Wir brauchen Ab-, statt Aufrüstung. Wir müssen aus dem Wachstums- und Profitzwang der kapitalistischen Ökonomie weltweit aussteigen; auch, weil dieser durch die globale Konkurrenz im Konfliktfall zu militärischen Auseinandersetzungen führen kann. Die Profitlogik, die dem Kapitalismus innewohnt, muss überwunden werden. Beispielsweise indem aus dem profitorientierten Gesundheitswesen ein am Gemeinwohl orientiertes wird.
Wie will ATTAC es schaffen, notwendige soziale Kämpfe dafür zu organisieren?
Beispielsweise indem wir gemeinsam mit europäischen Bündnispartnerinnen und -partnern aktuell die Kampagne »Tax the Rich« organisieren. In Marburg haben wir dazu eine Aktion vor dem Hauptsitz der Deutschen Vermögensberatung AG gemacht. Deren Geschäftsführer Andreas Pohl ist einer der reichsten Männer Deutschlands.
Thomas Eberhardt-Köster ist Mitglied im Koordinierungskreis des Netzwerks ATTAC e. V.
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