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Aus: Ausgabe vom 07.06.2024, Seite 7 / Ausland
Wahlen in Indien

Schlag für Modi

Wahlen in Indien: Hindu-Nationalisten zur Regierung auf Verbündete angewiesen. Linke Opposition im Aufwind
Von Vijay Prashad
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Modis Bild hat schon seit langem Kratzer: Wahlwerbung für die BJP in Chennai (4.6.2024)

Es ist anders gekommen als erwartet. Premierminister Narendra Modi von der Indischen Volkspartei (BJP), der führenden Kraft in der Regierung der Nationalen Demokratischen Allianz (NDA), hatte damit gerechnet, bei den 18. indischen Parlamentswahlen mit einer überwältigenden Mehrheit zu gewinnen. Am Ende war es nichts mit den angepeilten mindestens 400 Mandaten in dem 543 Sitze umfassenden Parlament. Die BJP erreichte nur 240 Sitze, das ist ein Minus von 63, und die NDA insgesamt kommt auf 293. Für eine Regierungsmehrheit sind 272 Mandate erforderlich, was bedeutet, dass die BJP auf die Unterstützung ihrer Verbündeten angewiesen ist, die sie nach einigem Hin und Her am Mittwoch auch erhielt. Der 2014 erstmals zum Premierminister gewählte Modi tritt also seine dritte Amtszeit an.

Die Tatsache, dass Modis Partei keine absolute Mehrheit erreicht hat, während das Oppositionsbündnis INDIA auf 234 Sitze kommt und die BJP auch in ihren Kerngebieten in Nord- und Westindien Einbußen hinnehmen musste, führte zu einer widersprüchlichen Reaktion: Modi hat gewonnen, aber seine Anhänger scheinen den Sieg als Niederlage anzusehen. Die Opposition konnte keine Regierung bilden, aber ihre Niederlage erscheint fast als Sieg. Als am Dienstag langsam die Ergebnisse eintrafen, feierten sowohl die BJP als auch die Kongresspartei (INC), die im Zentrum des INDIA-Bündnisses steht, ihre Erfolge. Entscheidend ist, dass die Erwartungen der BJP nicht erfüllt wurden. Sie bleibt zwar an der Regierung, aber ihre Anhänger sind durch die Ergebnisse entmutigt.

Die schiere Größe der indischen Wahlen macht rasche Analysen unmöglich. Die Abstimmung wurde zwischen dem 19. April und dem 1. Juni in sieben Phasen durchgeführt. Ganze 968 Millionen Wählerkarten mussten gedruckt werden. 642 Millionen Menschen gaben ihre Stimme ab, das sind etwa zwei Drittel aller Berechtigten. Die Hälfte davon waren Frauen, womit die bisher höchste Beteiligung von Frauen bei einer einzigen Wahl verzeichnet wurde.

Bei der ersten Wiederwahl Modis 2019 sprachen seine Anhänger von einer allgemeinen »Modi-Welle«. Damals hatte er seinen Sitz in Varanasi im Bundesstaat Uttar Pradesh mit einem Vorsprung von 450.000 Stimmen gewonnen. Aber diesmal liegt er dort nur mit 150.000 Voten vorn. In der ebenfalls in dem Bundesstaat gelegenen Stadt ­Ayodhya hatte Modi enormen Aufwand betrieben, um einen neuen hinduistischen Ram-Tempel zu errichten. Der dortige BJP-Kandidat unterlag jedoch seinem Widersacher von der Samajwadi Party mit 54.000 Stimmen. Insgesamt verloren 15 Kabinettsmitglieder ihre Sitze. Jede dieser Niederlagen ist ein Schlag für Modis Prestige.

Es stimmt, dass Indiens Wirtschaft ein hohes Wachstum aufweist. Aber es ist nicht gleichmäßig verteilt. Laut dem Zentrum für die Beobachtung der indischen Wirtschaft lag die Erwerbslosenquote unter Jugendlichen im Jahr 2022/23 bei 45,4 Prozent. Das ist sechsmal höher als die allgemeine Quote von insgesamt 7,5 Prozent. Wenn fast die Hälfte der Jugendlichen mit prekärer Beschäftigung oder Erwerbslosigkeit konfrontiert ist, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass auch mehr als die Hälfte der Familien unter der hohen Jugendarbeitslosigkeit leidet. Einer Umfrage der Agentur Lokniti und des ­Centre for the Study of Developing Societies von Mitte April zufolge nannten zwei Drittel Beschäftigung und Inflation als die wichtigsten Problemfelder. Die Kandidaten der BJP, die auf religiöse Themen setzten, unterlagen entsprechend oder gewannen nur mit geringerem Vorsprung. Doch trotz des Vorrangs der Brot-und-Butter-Themen wurde die BJP nicht abgewählt, vereinzelt konnte sie sogar zulegen. Das zeigt die Grenzen der Opposition.

Modi bleibt Premier, aber er hat nicht das Mandat, das er sich gewünscht hat. Die Linke kehrt mit einer kleinen Gruppe ins Parlament zurück, aber unter ihr sind wichtige Führer der Bauernbewegung wie Amra Ram von der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten). Ein Raum hat sich eröffnet, in dem gegen die Zermürbung demokratischer Institutionen gekämpft werden kann. Dies bietet der Opposition und gesellschaftlichen Gruppen eine enorme Chance. Während Amra Ram im Parlament für die Landbevölkerung spricht, werden die Bauern selbst weiter für ihre und die Rechte der Arbeiter demonstrieren.

Vijay Prashad ist Historiker, Publizist und Leiter des Tricontinental Institute for Social Research in Neu-Delhi.

Übersetzt aus dem Englischen

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