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Aus: Ausgabe vom 08.06.2024, Seite 1 / Inland
Tag der Bundeswehr

Kriegstüchtig bis 2029

Familientag zu Rekrutierungszwecken: Militaristische Propaganda mit Volksfestcharakter bei der Bundeswehr
Von Philip Tassev
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Um Jugendliche fürs Militär zu begeistern, nutzt die Bundeswehr auch vermeintlich harmlose Events wie Fitnessmessen (Köln, 11.4.2024)

Das Verteidigungsministerium rechnet offenbar mit einem deutlich höheren Bedarf an Menschenmaterial, um die von der NATO gestellten Ansprüche an ihre Mitglieder zu erfüllen. Wie der ­Spiegel aus internen Berichten des Ministeriums erfahren haben will, sei dafür eine Aufstockung der Bundeswehr auf über 272.000 Soldaten notwendig. Weiter berichtete das Magazin am Freitag, Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der kommende Woche sein neues Wehrdienstmodell vorstellen will, plane, allen 18jährigen einen Fragebogen zu schicken, in dem die Jugendlichen Auskunft über ihre Fitness und Interessen geben und mitteilen sollen, ob sie sich ihre Zukunft bei der deutschen Armee vorstellen könnten. »Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein«, hatte Pistorius am Mittwoch schon mal die Marschrichtung vorgegeben.

Da kommt der seit 2015 veranstaltete »Tag der Bundeswehr« gerade richtig. Am Sonnabend fahren die deutschen Streitkräfte wieder schweres Geschütz auf und präsentieren sich an neun Standorten in der ganzen BRD von ihrer besonders zugänglichen Seite. Ob am Marinestützpunkt Hohe Düne in Rostock beim »Open Ship« die beengten Verhältnisse auf einem Landungsboot erleben oder bei der Militäruniversität in Hamburg »Erbsen­eintopf nach Bundeswehr-Art« genießen: »Bringen Sie die Kinder, Oma und Opa und auch Ihre Freunde und Nachbarn mit«, es sei für jeden was dabei, wirbt die Armee auf ihrer Webseite. Auf dem Fliegerhorst Faßberg bei Celle gibt sich ­Minister ­Pistorius zur Feier von »75 Jahre Ende der Berliner Luftbrücke« selbst die Ehre. In Gotha können zu Klängen der Militärkapelle Nahkampfvorführungen oder bei einer »Modenschau« Uniformen bewundert werden. Auf der Fahrt in einem »Gefechtsfahrzeug (ab 13 Jahren)« soll sich der Nachwuchs für Kriegsgerät begeistern oder beim Hindernislauf, Nachtsichtparcours oder Biathlonschießen schon mal in die militärische Ausbildung reinschnuppern. Besonders herzig: Die Jüngsten können am Standort Aachen bei der Heeresschule »ihre verletzten Teddybären in ein ›Teddybärkrankenhaus‹ bringen und sie dort unter Anleitung ›sanitätsdienstlich versorgen‹«. Handfest wird es in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne im nordrhein-westfälischen Augustdorf, hier stellen Infanteristen »ihr Können im Orts- und Häuserkampf« zur Schau. Auch ohne Flecktarn geht Fahne: »Uniformen stehen Ihnen nicht so gut? Kein Problem«, heißt es im beschaulichen Eifelstädtchen Mayen, da präsentieren sich zivile Dienststellen und Dienstleister. Fast an allen Standorten mit dabei ist eine sogenannte Blaulichtmeile von Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk, auf der die »zivil-militärische Zusammenarbeit« gelebt wird.

Gegen dieses Werben um frisches Kanonenfutter ruft die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) für den Sonnabend zu Protesten auf. An allen Standorten sind antimilitaristische Aktionen geplant. Thomas Haschke von der DFG-VK Stuttgart und der Informationsstelle Militarisierung ordnete gegenüber jW das Propagandaspektakel ein: »Waffen hat die Bundeswehr dank des üppigen Militärhaushalts plus Sonderschulden genug, es müssen aber noch mehr werden.« Durch solche Veranstaltungen solle die Bevölkerung der Militarisierung zustimmen und dafür Einsparungen in allen anderen Bereichen akzeptieren. Das größte Problem, das die Armee aber habe, sei, genug Nachwuchs zu finden. Haschke: »Deswegen wird massiv beim Tag der Bundeswehr geworben. Wir lehnen es ab, dass Kinder auf Militärgerät spielen und Jugendliche sich für die Bundeswehr verpflichten.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinz-Joachim R. aus Berlin (9. Juni 2024 um 14:26 Uhr)
    Durch die zunächst flüchtige Wahrnehmung der Überschrift »Kriegstüchtig bis 2029«, las ich meiner Frau »kriegssüchtig bis 2029« vor, wobei ich mich über die Jahreszahl wunderte. Erst beim nochmaligen Hinschauen klärte sich der Fehler auf, denn kriegssüchtig sind diese Herrschaften – ob sozialdemokratisch rosa, christlich schwarz, freiheitlich gelb oder modrig grün – im Interesse der Finanz- und Rüstungsoligarchie alle. Der Farbwechsel dient lediglich der weiteren Blendung und Verblödung auch schon der Heranwachsenden. Andererseits schimmert dabei auch die Angst durch und man sucht die Wählergunst deshalb bereits bei den folgerichtig durch Unbildung meist besser manipulierbar suchenden Jugendlichen in der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre bei dieser sogenannten EU-Wahl. Die Befürchtung, dass die älteren Generationen die Nase voll haben von dem EU- und NATO-Fliegengeschmeiß, ist berechtigt. Und ja, Kanonenfutter muss frisch sein.

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