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Aus: Ausgabe vom 08.06.2024, Seite 4 / Inland
Pressefreiheit

Journalist darf Archiv verlinken

Prozess wegen Verweis auf linksunten.indymedia: Freispruch für Redakteur von Radio Dreyeckland
Von Detlef Georgia Schulze
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Weil der Redakteur einen Link zu einem Archiv in einen Artikel setzte, wurde er angeklagt (Freiburg, 17.1.2023)

Weil er in einem Onlineartikel im Sommer 2022 das Anfang 2020 veröffentlichte Archiv der Plattform linksunten.indymedia verlinkt hatte, klagte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe den Journalisten von Radio Dreyeckland an. Am Donnerstag hat das dortige Landgericht Fabian K. freigesprochen.

Das Bundesinnenministerium hatte 2017 das Verbot des »Vereins ›linksunten.indymedia‹« verfügt, womit – laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – der Betreiberkreis und nicht das Portal selbst gemeint war.

Der Prozess fand statt, weil das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart im vergangenen Jahr der folgenden Auffassung war: Der Artikel von K. sei geeignet, die – nach OLG-Ansicht durch den verbotenen »Verein« erfolgte – Archivveröffentlichung »zu unterstützen, indem sie erkennbar für Solidarität mit einem von der Justiz angeblich zu Unrecht verfolgten Verein wirbt (›wir sind alle l[inksunten, jW]‹, ›konstruiertes Verbot‹, ›rechtswidrige Durchsuchung‹)«. Aus diesen Gründen hatte das Gericht die Klage gegen K. zugelassen.

Allerdings hatte der Redakteur nicht von einem »konstruierten Verbot« gesprochen, sondern von einem »konstruierten Verein«. Dass das Innenministerium mittels des Vereinsrechts gegen den Betreiberkreis eines Mediums vorgeht, wurde auch von anderer Seite kritisiert und war zudem Thema in weiteren Artikeln mit Archivlink. Die von K. angesprochene Durchsuchung eines alternativen Zentrums in Freiburg 2017 war vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof für rechtswidrig erklärt worden. Und die Parole »Wir sind alle linksunten.indymedia« stammte nicht von K. selbst, sondern war als Graffito auf einer Hauswand auf dem Foto zu lesen, das den Artikel bebildert. Bildunterschrift: »›Wir sind alle linksunten‹ – ob dem so ist, war auch ein Streitpunkt auf der Podiumsdiskussion über das Verbot der Internetplattform.«

Das Landgericht Karlsruhe hat den Journalisten nun freigesprochen, weil es sich angesichts dieser Sachlage nicht in der Lage sah, sich der Interpretation des OLG anzuschließen. Der Bericht sei zwar verbotskritisch (was zulässig sei) – und im übrigen deskriptiv und zutreffend (was beispielsweise die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs anbelange). Eine werbende Tendenz für den verbotenen Verein weise der Text hingegen nicht auf. Eine Pflicht zur Distanzierung von den Archivtexten oder dem angeblichen »Verein ›linksunten.indymedia‹« besteht überdies nicht, wie das Gericht bereits am Dienstag in seiner Ablehnung des letzten Beweisantrages der Staatsanwaltschaft argumentiert hatte.

Ob sich auch der Bundesgerichtshof dieser Auffassung anschließend würde – falls es zu einer staatsanwaltschaftlichen Revision gegen den Freispruch vom Donnerstag kommt – ist ungewiss.

Das Landgericht hat den Journalisten auch deshalb freigesprochen, weil sich in der mündlichen Verhandlung keine Beweise für einen Fortbestand des »Vereins« ergeben hatten. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz waren der Karlsruher Staatsanwaltschaft in der Sache nicht beigesprungen.

Allerdings ließ die Staatsschutzkammer offen, ob die weitere Auswertung von im August vergangenen Jahres bei fünf Freiburgern beschlagnahmten Datenträgern neue Erkenntnisse bringen wird. Die Personen werden von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, sowohl zum alten Betreiberkreis von linksunten.indymedia als auch der Archivseite zu gehören. Das Landgericht habe das Ergebnis der Datenträgerauswertung nicht ­abwarten müssen, wie der Vorsitzende Richter erklärte. Nach Ansicht der Kammer gebe es aber gerichtlich ­verwertbare Anhaltspunkte dafür, dass die fünf Beschuldigten tatsächlich zum alten Betreiberkreis gehörten.

Neben dem Freispruch entschied das Gericht außerdem, dass die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen des Journalisten, wie die Anwaltskosten, zu tragen habe. Darüber hinaus wurde ihm eine Entschädigung für die Durchsuchung zugesprochen, die im Januar 2020 bei ihm stattgefunden hatte.

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