Turbogärtnern mit Porsche
Von Ralf Wurzbacher![imago0261839598h.jpg](/img/450/195827.jpg)
Manchmal sitze man im Cockpit und merke, »das kann jetzt keine schnelle Runde werden«. Gesagt hat dies am Freitag Oliver Blume bei der virtuellen Porsche-Hauptversammlung. Tatsächlich stottert gerade der Motor bei den Stuttgarter Bleifußfetischisten, und das bringt den Chef zur Raserei. Von Januar bis März 2024 hat der Autobauer nur 77.640 Fahrzeuge ausgeliefert, vier Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die lahme Fahrt geht aber schon länger. Innerhalb von 14 Monaten ist die Aktie der Volkswagen-Tochter an der Frankfurter Börse um ein Drittel auf unter 76 Euro abgeschmiert. Schuld sollen die vielen Modellwechsel sein, was den Verkauf der Vorgängerbaureihen ausbremse. Außerdem rauscht das China-Geschäft bergab, im ersten Quartal 2023 wurde man dort noch 5.000 Autos mehr los. Vor allem elektrifizierte Luxusflitzer mit Pferdelogo sind im Reich der Mitte ein echter Ladenhüter, weshalb die Händler vor Ort laut Medienberichten bereits rebelliert und Entschädigung verlangt hätten.
Auf Krawall gebürstet sind auch Naturschützer in Apulien. Seit Monaten kämpfen sie gegen den Ausbau einer Porsche-Testsrecke im süditalienischen Nardò. Für das 450 Millionen Euro teure Vorhaben wollen die Deutschen 200 Hektar des historischen Waldes Bosco d’Arneo abholzen, was der Fläche von etwa 280 Fußballfeldern entspricht. Eine Petition dagegen haben mehr als 40.000 Bürger unterschrieben. Aber auch hierzulande regt sich Protest, angeführt vom Umweltverband Robin Wood. Gemeinsam mit den Mitstreitern vom Bündnis »Custodi del Bosco d’Arneo« haben Aktivisten am Donnerstag abend vor dem Porsche-Showroom am Stammsitz in Stuttgart Stellung bezogen. Im Gepäck hatten sie einen offenen Brief an die Präsidenten der Region Apulien und der Provinz Lecce sowie an die Ortsvorsteher von Nardò und Porto Cesareo. Darin setzen sich mehr als 20 internationale Wald- und Umweltschutzinitiativen für das endgültige Aus des Projekts ein.
Immerhin wurde die Rodung des wertvollen Baumbestandes zunächst gestoppt. Für sechs Monate. Ein gesunder und intakter Wald ist eine Rarität im von Hitzewellen gebeutelten Süden Italiens. Nach EU-Recht darf er nur angetastet werden, wenn die Maßnahme dem Gemeinwohl dient. Daran hat aber selbst die neoliberale EU-Kommission Zweifel. Entsprechend soll der litauische Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius die italienische Regierung aufgefordert haben, weitere Beweise für das »öffentliche Interesse« der Unternehmung vorzulegen. »Die Zerstörung und Betonierung von Waldflächen für Luxuskarossen hat aus unserer Sicht keinen Nutzen für die Allgemeinheit«, äußerte sich am Freitag Eberhard Linckh von Robin Wood per Medienmitteilung. »Wir brauchen intakte Wälder für den Schutz von Klima, Artenvielfalt und Gesundheit.« Man werde kein Vorhaben zulassen, »das an einem Tag entstanden ist – mit dem Ziel, ein in Jahrhunderten gewachsenes Naturgebiet ›auszulöschen‹«, heißt es in einem Pressestatement des italienischen Bündnisses.
Übernommen hatte Porsche die fast 13 Kilometer lange kreisrunde Testbahn vor zwölf Jahren. Künftig solle im speziellen autonomes, vernetztes Fahren geprobt werden, wofür es neuer Strukturen und Fähigkeiten bedürfe, ließ sich ein italienischer Manager im März vom Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) zitieren. Dafür mimt das Unternehmen wacker den Gemeinsinnstifter, verweist auf »die breite Bürgerbeteiligung vor Ort« und will eigens auf Förster umschulen. So sollen zum Ausgleich auf einem nahe gelegen 600 Hektar messenden Areal Baumsetzlinge gepflanzt werden – auf knochentrockenen Böden. Diese müssten jahrzehntelang künstlich bewässert werden; mit enormen Mengen an Grundwasser, was dessen Versalzung forciere, wenden die Naturschützer ein. Es sei »äußerst fraglich«, dass sich mit dieser Greenwashing-Masche unter verschärften klimatischen Bedingungen irgendwann ein intaktes Ökosystem entwickeln lasse.
Was noch meinte Porsche- und VW-Boss Blume bei seiner Rede am Freitag? Manchmal passten einfach die »Rahmenbedingungen« nicht, »das Wetter, die Reifen, der Verkehr auf der Strecke«. Man könnte ergänzen: und die Glaubwürdigkeit.
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