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Aus: Ausgabe vom 08.06.2024, Seite 7 / Ausland
Sudan

Nächstes Massaker im Sudan

Paramilitärs töten mindestens 100 Menschen. Krieg und Hunger setzen Bevölkerung zu. Russland will Abkommen mit De-facto-Regierung schließen
Von Pablo Flock
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Noch nicht einmal richtige Zelte: Kriegsvertriebene aus dem Sudan in einem Transitlager (Renk/Südsudan, 18.3.2024)

Es ist eine der größten humanitären Katastrophen weltweit: der Krieg zwischen den Rapid Support Forces (RSF) und der Armee der De-facto-Regierung des Sudan. Am Freitag sind bei einem Angriff mit Artilleriefeuer auf die nördlich von Khartum gelegene Stadt Omdurman erneut rund 40 Zivilisten ums Leben gekommen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das örtliche Karari Resistance Committee machte die RSF für den Angriff verantwortlich. Zwei Tage zuvor waren bei einer Attacke der RSF auf das Dorf Wad Al-Nura im Bundesstaat Al-Dschasira mehr als 100 Menschen getötet worden. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk waren darunter auch mindestens 35 Kinder. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Angriff am Donnerstag »aufs schärfste« und rief die Konfliktparteien auf, »sich zu einem nachhaltigen Frieden für das sudanesische Volk zu verpflichten«.

Wie Augenzeugen gegenüber CNN berichteten, greifen die RSF die Gegend, die als Brotkorb des Landes gilt, an, um Hunger als Waffe einzusetzen. Die ausgelöste Hungersnot und der Wegfall anderer Einkommensmöglichkeiten würden so eine Rekrutierung durch die Söldnerarmee erleichtern. Schon im Mai hatte die Sonderberaterin zur Verhinderung von Genozid der Vereinten Nationen, Alice Wairimu Nderitu, vor einem Völkermord in der Region Darfur im Westen des Sudan gewarnt. Die Provinzhauptstadt Al-Fascher ist die letzte Stadt der Region, in der sich die Armee noch halten kann. Allein die Gefechte um die Stadt forderten laut Ärzte ohne Grenzen bis Anfang Juni 1.280 Menschenleben.

Die RSF sind eine noch unter dem 2019 abgesetzten Diktator Omar Al-Baschir institutionalisierte und bewaffnete Organisation, bestehend vor allem aus den sich als arabisch verstehenden Ethnien Darfurs. Anfang des Jahrtausends schlug sie, damals »Dschandschawid« genannt, einen lokalen Aufstand marginalisierter Ethnien in der Region nieder. Die großflächige Vertreibung und das Ermorden von rund 300.000 Menschen zwischen 2003 und 2008 wird heute als erster Genozid des Jahrhunderts gesehen. Im sogenannten Khartum-Massaker, das sich am Montag zum fünften Mal jährte, wurden von den Streitkräften der Militärregierung – damals waren die RSF noch Teil der Regierung – mehr als 140 Demonstranten erschossen und über 70 vergewaltigt. Sie hatten sich nicht mit der Absetzung von Al-Baschir abspeisen lassen wollen und planten, ihr Protestcamp bis zur Einsetzung einer zivilen Regierung aufrechtzuerhalten.

Nun droht eine Neuauflage des Genozids vor 20 Jahren. Denn wo die RSF hinkommen, massakrieren und vergewaltigen sie die Angehörigen der Massalit und anderer dunklerer und als nichtarabisch wahrgenommener Ethnien. Gleichzeitig ist der Sudan das Land mit den höchsten Zahlen Binnenvertriebener geworden. Im vergangenen Jahr wurden sechs Millionen Menschen innerhalb des eigenen Landes vertrieben – neun Millionen sind es insgesamt, das entspricht rund 25 Prozent der Bevölkerung. Weitere 1,5 Millionen Menschen flohen in die Nachbarländer. Zudem leiden wegen abgeschnittener Versorgungsrouten rund 18 Millionen Menschen an Hunger. Erschwerend kommt hinzu, dass, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk Anfang Mai berichtete, nur acht Prozent der benötigten Geldmittel von internationalen Gebern gesammelt werden konnten.

Die sudanesische De-facto-Regierung setzt nun offenbar auf Deals mit Russland. So soll ein ursprünglich mit Al-Baschir vereinbartes Abkommen über einen Militärhafen am Roten Meer nördlich der Stadt Port Sudan bei einem Besuch einer Regierungsdelegation in Moskau Anfang der Woche erneuert worden sein. Im Gegenzug sollen Waffenlieferungen versprochen worden sein. Das Interessante daran: Söldner der mittlerweile aufgelösten »Wagner«-Gruppe hatten auf seiten der RSF gekämpft, während ukrainische Spezialeinheiten teilweise die Armee unterstützt hatten.

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