Neue Wachstumsimpulse in China
Von Jörg Kronauer![imago0494264619h.jpg](/img/450/195828.jpg)
Chinesische Behörden sowie Fachmedien vermelden für die Wirtschaft der Volksrepublik neue Wachstumsimpulse. Wie der chinesische Zoll am Freitag mitteilte, sind die chinesischen Exporte im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,6 Prozent gestiegen und damit deutlich mehr als erwartet. Schon zuvor hatte das Wirtschaftsmagazin Caixin neue Aufschwünge bei seinen Indizes für Industrie sowie für Dienstleistungen bekanntgegeben. Demnach lag das Caixin-Stimmungsbarometer für die chinesische Industrie mit 51,7 so hoch wie zuletzt im Juli 2022. Der Vergleichswert für Dienstleistungen stieg sogar um 1,5 Punkte gegenüber dem Vormonat auf 54,0 und damit auf den höchsten Wert seit August 2023. Lediglich der Import fiel mit einem Plus von nur 1,8 Prozent geringer aus, als es Experten vermutet hatten. Erst Ende Mai hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) die zunehmenden Anzeichen für ein stärkeres chinesisches Wachstum zum Anlass genommen, die Prognose für die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft im Gesamtjahr 2024 von plus 4,6 Prozent auf plus fünf Prozent anzuheben. Damit stimmt die IWF-Prognose mit dem offiziellen Wachstumsziel der Volksrepublik überein.
Während westliche Medien das niedrige Importwachstum vor allem mit der Schwäche der Binnennachfrage in Verbindung bringen, scheint die Lage komplexer zu sein. Zwar dämpfen die fortdauernden Probleme im Immobiliensektor ebenso wie die nach wie vor hohe Jugendarbeitslosigkeit, die zu Jahresbeginn bei bitteren 14,9 Prozent lag, die Kauflust. Doch ist China zugleich wegen der kontinuierlich gesteigerten US-Sanktionen gezwungen, seine Einfuhr zu reduzieren. Beim privaten Konsum wiederum deutet sich zumindest punktuell eine Wende an. So gehen die chinesischen Behörden davon aus, dass die Zahl der Kurztrips zu chinesischen Häfen anlässlich des diesjährigen Drachenbootfests am Montag voraussichtlich 1,75 Millionen Passagiere erreichen wird – 32,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Anstieg wird auch bei den für diesen Sommer geplanten Auslandsreisen gemeldet. Kelvin Lam von der Beratungsfirma Pantheon Macroeconomics erwartet, der Aufschwung werde vom Tourismussektor auf weitere Dienstleistungsbranchen übergehen sowie breiter werden, wenngleich die Immobilienkrise wohl weiterhin bremse.
Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – des zuletzt starken Exportwachstums sind auch im Außenhandel neue Verwerfungen gut möglich. Der schwache Import ließ im vergangenen Monat in Verbindung mit dem starken Export das chinesische Außenhandelsplus auf 82,6 Milliarden US-Dollar anschwellen. Dies wiederum dürfte im Westen die Beschwerden über eine – tatsächliche oder angebliche – chinesische Überproduktion befeuern, von der es heißt, mit ihr überschwemme die Volksrepublik die Märkte im Westen und ruiniere die dortige Industrie. Ökonomen des niederländischen Finanzkonzerns ING haben jüngst die ausufernde Debatte etwas auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen versucht. Wie es in einer Analyse des Unternehmens heißt, seien nicht Überkapazitäten an sich das Problem; Überkapazitäten etwa in der Textilindustrie ließen den Westen wohl kalt. Beschwerden gebe es, weil China dabei sei, auf der Wertschöpfungskette bis ganz nach oben zu klettern und den Platzhirschen im Westen ihre bisherige Hightechmarktdominanz streitig zu machen. Gelungen sei ihr dies bereits bei Solarzellen. Bei Elektroautos sehen die ING-Ökonomen noch keine Gefahr, räumen aber ein, langfristig könne der Westen größere Marktanteile verlieren. Die Aussicht darauf werde den Wirtschaftskrieg des Westens gegen China weiter befeuern.
Während der Handel zwischen China und den USA im Mai um 1,4 Prozent schrumpfte, ist Chinas Handel mit Russland im Mai um 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert gestiegen. Zwar gab es eine kleine Delle bei den chinesischen Importen – ganz überwiegend Rohstoffe –, der chinesische Export stieg allerdings, gemessen in chinesischen Renminbi Yuan, um 0,92 Prozent an. Am Freitag verbreitete Meldungen, er sei geschrumpft, messen in US-Dollar, was für den chinesisch-russischen Handel, der inzwischen fast vollständig in nationalen Währungen abgewickelt wird, nicht mehr wirklich angemessen ist.
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