Wiedergutmachung gefordert
Von Ina SembdnerArgentinien war 2012 das erste Land der Welt, in dem Menschen ihren Namen und ihr Geschlecht ohne weitere Bedingungen ändern konnten. Weitere Maßnahmen folgten, 2021 kam ein Erlass hinzu, der eine Quote von einem Prozent der Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor für transgeschlechtliche Personen festsetzte. Laut Schätzungen entspricht das ungefähr 2.500 Arbeitsplätzen landesweit. Privatunternehmen, die trans Menschen beschäftigen, sollen zudem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden. Anlass für dieses Gesetz war eine Umfrage aus dem Jahr 2017, die ergeben hatte, dass nur neun Prozent der trans Personen einer formellen Beschäftigung nachgingen, während 70 Prozent Sexarbeitende waren. Unter dem seit Dezember amtierenden rechten Präsidenten Javier Milei wurden jedoch bereits mindestens 115 trans Personen wieder entlassen, die über die Quote eine Anstellung erhalten hatten.
Vor einem Jahrzehnt begann der Kampf für ein Gesetz zur wirtschaftlichen Wiedergutmachung, das die während der Militärdiktatur (1976–1983) erlittenen Schäden – darunter Inhaftierung und Folter – anerkennt. Aber auch die Zeit bis zur Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes für trans und nichtbinäre Personen wird von den Aktivistinnen dazugezählt. Es ist der Kampf um wirtschaftliche Entschädigung, wiedergutmachende beitragsfreie Renten und Zugang zu Gesundheitsleistungen und Wohnraum. Das Selbstbestimmungsgesetz habe zwar ein neues Panorama für trans Menschen geschaffen, schrieb das Onlinemedium Agencia Presentes im Januar, es sei damit aber nicht gelungen, ihre strukturellen Lebensbedingungen in großem Umfang zu verbessern. Die Lebenserwartung für trans Menschen liege in Argentinien weiterhin bei lediglich 35 bis 40 Jahren.
Mit ihren Forderungen zogen die sich selbst als Überlebende Bezeichnenden am 24. Mai beim »Zweiten Plurinationalen Marsch für ein Gesetz zur historischen Wiedergutmachung« vor den Nationalkongress in Buenos Aires. »Ich bin am Leben, weil meine Zeit noch nicht gekommen ist«, erklärte Teilnehmerin Patricia Rivas gegenüber dem Portal Lavaca, »aber leider erinnert sich mein Kopf an meine gefallenen Freunde, an die Flucht vor der Polizei und daran, dass ich einen gefallenen Schmetterling sah, und ich rannte weiter, um mein Leben zu retten. Was ich heute tun kann, ist, für sie zu sprechen und den Leuten zu zeigen, dass wir Menschen sind, die ein Recht auf Leben haben.«
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