Sana bietet Reallohnverlust und Eis an
Von Susanne Knütter![imago0091484569h.jpg](/img/450/195960.jpg)
Streikversammlung am Sana-Klinikum in Berlin-Lichtenberg. Der Saal ist voll. An die 180 Kolleginnen und Kollegen sind am Montag in den Ausstand getreten für höheren Lohn, mindestens 400 Euro mehr, und gleiches Geld für gleiche Arbeit – etwa von Medizinischen Fachangestellten, die nach wie vor weniger erhalten als Pflegekräfte. Gestreikt hätten noch wesentlich mehr Kollegen. Die vom Gericht verordnete Notdienstbesetzung ließ das aber nicht zu.
Nachdem Verdi den Klinikkonzern in Berlin am 22. Mai über den Streik informiert hatte, zögerte Sana die Verhandlungen über die Notdienste hinaus. Seit Beginn der vergangenen Woche sei bekannt gewesen, welche Stationen komplett bzw. stark bestreikt werden würden, hieß es aus Gewerkschaftskreisen. »Statt zu handeln, Betten freilaufen zu lassen und das Streikrecht zu würdigen, ist die Geschäftsführung vor Gericht gegangen.« Und zwar am Freitag, kurz vor Feierabend des Arbeitsgerichts. Ohne Anhörung der Gewerkschaft folgte das Gericht der Argumentation des Konzerns und ordnete an, dass während der zwei Streiktage am Montag und Dienstag keine Station geschlossen werden dürfe.
In allen Bereichen sei auf »Notdienstlevel« gearbeitet worden, sagte Verdi-Sekretär Max Manzey gegenüber jW am Montag. Zahlreiche planbare Operationen, Behandlungen und Aufnahmen wurden abgesagt oder verschoben. Am Dienstag folgten laut Gewerkschaftsangaben 400 Kollegen dem Demonstrationsaufruf. Von insgesamt 800 bis 900 Beschäftigten, die von dem Tarifvertrag betroffen sind.
Die Arbeitsbedingungen am Sana-Klinikum sind ähnlich schlecht wie in anderen Kliniken. An dem privaten Krankenhaus kommt hinzu, dass die Beschäftigten Gewinne erwirtschaften müssen. Und dafür gleichzeitig Reallohnverluste hinnehmen sollen, wie Verdi in bezug auf das Lohnangebot von Sana erklärte. »Man spart am meisten an der Kultur«, sagte eine Krankenschwester von der IMC (Intermediate Care) gegenüber dieser Zeitung. »Groß verreisen« sei nicht drin bei zwei Kindern. Lange sei sie aus Kostengründen nicht in die Gewerkschaft eingetreten. Als Verdi Sana im Dezember zu Verhandlungen für einen Entlastungstarifvertrag aufforderte, sei sie Mitglied geworden. Ihre Station ist der Intensivstation vorgeschaltet, dennoch betreue sie Patienten, die eigentlich auf eine Intensivstation gehörten. Der Personalschlüssel liege bei eins zu vier. Für Intensivstationen ist ein Verhältnis von eins zu zwei vorgeschrieben. Bei mehreren instabilen Patienten sei die Unterbesetzung höchst gefährlich. »Einer ist im Delirium, einer blutet, einer kotzt.« Auf der IMC im Sana stünden auch Monitore, die die Vitalfunktionen der Patienten überwachen. Auch das untypisch für eine Intermediate-Care-Station.
Den Gewinndruck spüren auch die Kolleginnen von der Herzkatheterstation. Die Löhne liegen nach wie vor weit unter denen der anderen großen Berliner Krankenhäuser Charité und Vivantes. Gleichzeitig ist der Arbeitsdruck enorm gestiegen. 18, 19 Pflegekräfte hätten 2018/19, als sie dort anfingen, auf der Station gearbeitet. Jetzt seien es noch acht oder neun. Die Arbeit aber sei gleich geblieben. »Schichten von acht bis 20 Uhr, danach Rufbereitschaft – und wenn es blöd läuft, danach wieder ein Dienst.« Das Personalkarussell dreht sich entsprechend schnell. Derzeit würden drei Kollegen neu eingearbeitet. Viele hielten dem Druck nicht stand, heißt es. Auch die Kolleginnen »vom Herzkatheter« sprechen von Patientengefährdung.
Die Streiks um höhere Löhne, die die Beschäftigten dringend brauchen, sind insofern auch ein Probelauf für die anstehende Auseinandersetzung um Entlastung. Das weiß der Konzern und appelliert an den Teamgeist der Belegschaft. »Auch wenn wir heute morgen durch den Streik eine ganz besondere Lage im Klinikum Lichtenberg haben, möchten wir allen (…) die Möglichkeit für eine kurze Verschnaufpause und zu Abkühlung bieten«, hieß es in einer Mitarbeitermail am Montag. Die Offerte? Ein Eis pro Mitarbeiter am Montag und Dienstag. Angesichts der Zustände im Klinikum empfanden die Beschäftigten auch diese Aktion der Geschäftsführung als blanke Verhöhnung.
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