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Aus: Ausgabe vom 12.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Autoroute A 96

Klimaprotest in Frankreich eskaliert

Aktionstag im Tarn endet mit Schlagabtausch zwischen Polizei und Demonstranten
Von Luc Śkaille, Nancy
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Bei den Zusammenstößen wurden Demonstranten durch Gummigeschosse und Schlagstöcke verletzt

In der südfranzösischen Gemeinde Puylaurens kam es am Wochenende bei Klimaprotesten zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Umweltaktivisten. Bis zu 7.000 Menschen demonstrierten am Sonnabend gegen das Autobahnprojekt »Autoroute A 69«, das auf 53 Kilometern ab nächstem Jahr die Gemeinde Castres mit Toulouse verbinden soll. Getragen wurde die Mobilisierung unter anderem durch die Kleinbauerngewerkschaft »Confédération Paysanne«, die Umweltkampagne »Les soulèvements de la terre«, die Klimagruppe »XR« und die lokale Organisation »Roue libre«. Seit Freitag hatten Aktivisten sich mit Hunderten Zelten auf dem Land befreundeter Bauern niedergelassen, um sich auf den »Widerstand gegen die Zubetonierung« vorzubereiten.

Der französische Innenminister Darmanin hatte die Demonstration verbieten lassen und 1.600 Gendarmerie- und CRS-Antiterroreinheiten nach Okzitanien beordert. Hunderte Baufahrzeuge wurden vorsorglich auf einen eigens eingerichteten Sicherheitsparkplatz gebracht. Das Großaufgebot hielt die insgesamt vier Demonstrationszüge, von dem ein Angriff auf die Baustelle erwartet wurde, am Aktionstag mit drastischen Mitteln von der Baustelle fern: Ähnlich wie in Sainte-Soline im vergangenen Jahr setzten die Einsatzkräfte auch in Puylaurens Tausende Tränengas- und GM2L-Explosivgranaten gegen die Demonstranten ein. Am Nachmittag eskalierte die Auseinandersetzung. Es kam zu einem fast zweistündigen Schlagabtausch entlang der Landstraße D 926. Auf beiden Seiten gab es Verletzte, hier durch Gummigeschosse und Schlagstöcke, da durch Zwillen und Molotowcocktails.

Die A 69 bedroht der Bewegung zufolge rund 400 Hektar Ackerland, Dutzende Flussläufe und jahrhundertealte Bäume. Etliche davon wurden bereits gefällt, nachdem Polizeikräfte im vergangenen Jahr eine größere Besetzung der Umweltschützer geräumt hatten. Ein Abschnitt der Planstrecke bei Saïx ist allerdings noch besetzt. Laut dem Umfrageinstitut Ifop sprachen sich im Herbst 2023 in der lokalen Bevölkerung rund 61 Prozent für einen Abbruch der Baumaßnahmen aus. Bei einer »umweltpolitischen öffentlichen Anhörung« hatten sich 90 Prozent der beteiligten Anwohner gegen das Projekt ausgesprochen. Die noch amtierende französische Regierung lässt allwöchentlich gegen die Umweltbewegung vorgehen, wie zuletzt bei Protesten gegen das »GreenDock« und Olympia in Paris, doch das tut der Kampagne der »Aufstände der Erde« keinen Abbruch.

Die Bewegung gegen den Autobahnbau zeigt seit Jahren viele Formen des Widerstands. So hatten Klimaschützer während eines Seifenkistenrennens auf der geplanten Trasse im vergangenen Jahr einen Teil der Route kurzerhand zugemauert. Am Wochenende errichteten Aktivisten unter anderem einen großen Schafstall und säten auf den verplanten Flächen, um ihre Vorstellungen für diesen Landstrich zu konkretisieren.

Der Protest gegen den Autobahnabschnitt, dessen Kosten auf etwa 500 Millionen Euro geschätzt werden, reicht in die 1990er Jahre zurück. Die Pläne entstanden damals auf Druck des in der Region ansässigen Pharmakonzerns Pierre Fabre. Das Umweltministerium war gegen die Pläne, doch fleißige Lobbyisten räumten binnen zwei Jahrzehnten die Zweifel aus dem Weg. Letzte Klagen der Umweltverbände scheiterten, und die staatliche Konzession ging an die Gesellschaft Atosca der französischen NGE-Baugruppe. Im März 2023 begannen die Bauarbeiten.

Bürgerinitiativen und Anrainer protestierten mit Petitionen und Kundgebungen, einige sogar mit Hungerstreiks gegen das Projekt. Während sich die Umweltbewegung mittlerweile fundamental gegen den »veralteten Plan« stellt, hält die Betreiberin bisher unbeirrbar an dem Bauvorhaben fest. Auch Alternativkonzepte für die Trasse, wie etwa »L’autre voie pos­sible« des Urbanisten Karim Lahiani, fanden keine Anerkennung von öffentlicher Seite. Nach einer erneuten Klage wegen mutmaßlich mangelhaftem Regen- und Grundwassermanagement im April, spitzte sich der Protest zuletzt weiter zu und verlagert sich nun zusehends auf die Straßen und Felder des Tarn.

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