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Aus: Ausgabe vom 18.06.2024, Seite 5 / Inland
Tarifverhandlungen

Patte ins Portemonnaie

Metall- und Elektrobranche: Gewerkschaft empfiehlt siebenprozentiges Entgeltplus. Metallbosse sehen keinen Nachholbedarf: Nullrunde
Von Oliver Rast
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Beim fleißigen Schweißen entsteht ein Funkenflug von Schweißperlen (Osnabrück, 29.12.2023)

Da ist sie also: die Forderungsempfehlung der IG Metall (IGM) für die Tarifrunde im Herbst. Die erste IGM-Vorsitzende, Christiane Benner, verkündete am Montag in Frankfurt am Main folgendes: mehr Entgelt, deutlich, für mehr Kaufkraft, für die Binnennachfrage. Konkret: sieben Prozent für zwölf Monate für die knapp vier Millionen Kollegen der deutschen Metall- und Elektroindustrie (ME). Dazu eine »soziale Komponente« für untere Entgeltgruppen.

Die indes zunächst »nicht beziffert« worden sei, sagte IGM-Pressesprecher Walther Schneeweiß gleichentags auf jW-Nachfrage. Bewusst, denn hier bestünde noch Diskussionsbedarf. Worüber? Ob Fest- oder Sockelbetrag. Entscheidend sei, dass Geringverdiener der Branche spürbar mehr Geld hätten. Beispielsweise mittels Sockelbetrag, der in gleicher Höhe allen Beschäftigten gezahlt wird. Davon profitierten dann vor allem jene aus der Belegschaft, die am unteren Ende der Entgelttabelle stehen.

Eine weitere IGM-Forderung: kürzere Arbeitszeiten. Natürlich um gesundheitliche Belastungen zu senken, aber nicht nur. Auch für zivilgesellschaftliches Engagement, so Schneeweiß weiter. Denn der Einsatz für Demokratie und Ehrenamt beanspruche Zeit. Wohlgemerkt: Das, was Benner vorgestellt hat, ist noch kein Forderungsbeschluss, sondern eine Referenz für die regionalen Tarifkommissionen der Gewerkschaft. Und die kämen am Freitag zusammen, sagte eine Sprecherin der IGM-Bezirksleitung für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt am Montag zu jW.

Wie reagiert die Kapitalseite? Zögerlich. Oder besser: gelassen. Ab wann mit einer Replik auf die IGM-Empfehlung zu rechnen sei, wollte jW wissen. Das hänge davon ab, »was Frau Benner zu sagen hat, ob und wie wir das kommentieren«, so der Kommunikationsleiter von Gesamtmetall, Martin Leutz. Falls erforderlich, äußere sich der Verband innerhalb einer Stunde. Das sei kein Problem, man kenne schließlich das Nachrichtengeschäft. Stimmt. Uhrenvergleich: 13.17 Uhr kam die IGM-Pressemitteilung, 13.53 Uhr die Stellungnahme von Gesamtmetall-Boss Stefan Wolf via Reuters. Die Branche sei weiterhin in der Rezession, doch die Gewerkschaft täte so, »als ob wir uns in einem wirtschaftlichen Boom befinden«. Die Gewerkschaftsgremien sollten weitere Beratungen dazu nutzen, »um zu einer realistischeren Einschätzung der Lage zu kommen«, mahnt Wolf. Sein Kollege Harald Marquardt von Südwestmetall hatte bereits in den vergangenen Tagen verlauten lassen: Es gebe keinen Nachholbedarf, deshalb Nullrunde.

Tja, und in welchem Tarifgebiet werde begonnen, über eine »Nullrunde« zu verhandeln? Das sei noch nicht klar, sagte Südwestmetall-Medienreferent Volker Steinmaier am Montag gegenüber jW. Und eh: »Entscheidend ist nicht, wer den Auftakt macht, sondern wer das Vertragswerk abschließt.« Ein Pilotabschluss ist in der Regel die Blaupause für die gesamte Branche.

Das besondere im niedersächsischen Tarifgebiet: Der Haustarif bei Volkswagen (VW) wird parallel zur ME-Tarifrunde verhandelt. Für die Belegschaften der sechs VW-Standorte Braunschweig, Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter und Wolfsburg. Daniela Cavallo, VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, erklärte jüngst: »Ich rechne mit einer harten Haustarifrunde, in der wir unter großen Abwehrdruck geraten.« Vorboten habe es bereits in den zurückliegenden Monaten gegeben. Bei Gesprächen über das laufende »Effizienzprogramm bei VW«.

Konzernbosse versuchten demnach, betriebliche und tarifliche Themen zu vermischen. Etwa bei der Frage des Entgelts. Wenig überraschend, es ging um Einbußen, flächendeckend. Ferner um die Zukunft der Ausbildung beim Autokonzern. Die sei wohl vakant. Diese »Giftliste«, so Cavallo, dürften die Verhandlungsführer aus der Chefetage am Gesprächstisch bei der Tarifrunde abermals präsentieren. Konfliktstoff könnte es auch bei Kündigungsschutz und Jobgarantien geben, erfuhr jW aus IGM-Kreisen.

Gut, und wann geht’s in der ME-Tarifrunde los? Spätestens am 16. September. Die Friedenspflicht endet am 28. Oktober. Warnstreiks als »Warmup« sind frühestens einen Tag darauf »erlaubt«. Für mehr Patte im Portemonnaie.

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