Kahlschlag bei Supermarktkette
Von Kim NowakSehen so »moderne und attraktive Arbeitsbedingungen« aus? Am Dienstag bestätigte der Migros-Konzern die Androhung, Hunderte Beschäftigte zu entlassen. Bereits vor drei Wochen traf es 150 Beschäftigte, die fristlos auf die Straße gesetzt wurden. Der sich als solidarisch gebende Konzern kündigte bereits im Februar an, etwa 1.500 Stellen abzubauen. Hintergrund ist ein Gewinneinbruch von 2023, den der neue Konzernchef Mario Irminger durch eine rigide Sparpolitik ausgleichen will. Im vergangenen Jahr arbeiteten beim Konzern 13.225 Angestellte, etwa 100 weniger als im Jahr 2022. Nun soll es noch mehr Kollegen treffen. Nach Angaben des Onlineportals Inside Paradeplatz sollen am Dienstag etwa 300 Beschäftigte gefeuert worden sein. Irminger verfolge einen radikalen, strukturellen Umbau des Konzerns.
Bereits im Winter wurde angekündigt, der Konzern möchte sich von seinen Fachmärkten trennen. Neben dem Elektronikmarkt Melectronics und dem Sportgeschäft Sport X will sich Migros auch von dem Möbelhaus Micasa, dem Fahrradhändler Bike World und der Baumarktkette Do It + Garden trennen, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) am Dienstag schrieb. Käufer werden darüber hinaus auch für das Reiseunternehmen Hotelplan Group und den Kosmetikmarkt Mibelle gesucht. Für Melectronics scheint sich bereits ein Käufer gefunden zu haben: Mediamarkt wird in Zukunft 20 der 37 Filialen übernehmen. Damit betreibt Migros nur noch zehn Filialen der Baumarktkette Obi und will sich jetzt wieder seinem Kerngeschäft zuwenden: dem Supermarkt.
Für das neue (und alte) Kerngeschäft rief Migros die Supermarkt AG ins Leben. Wie die NZZ berichtete, sei es jedoch keine Selbstverständlichkeit, dass sich Migros dort problemlos durchsetzen werde. Einerseits sei die Konkurrenz durch Discounter wie Lidl und Aldi groß, andererseits leide der Konzern unter »komplizierten Organisationsstrukturen«, die weitere Kostensenkungen nach sich ziehen müssten. Übersetzt heißt das also: noch mehr Stellenabbau. Kündigungen werden seit diesem Jahr beinahe monatlich ausgesprochen, wie die Gewerkschaft Unia am Dienstag erklärte.
Anstatt Beschäftigte auf die Straße zu setzen, müsse der Konzern mehr Leute einstellen, forderte Unia. Gleichzeitig sei mit der neuen Kündigungswelle deutlich geworden, dass der »größte private Arbeitgeber der Schweiz« die Gekündigten zu wenig dabei unterstützt, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Das stehe auch im Widerspruch zum Leitbild des Konzerns, »Entlassungen wenn möglich zu vermeiden«.
Unia klagt auch die Leitung des Konzerns an, die sich einem Dialog verweigere: »Die Leitung missachtet das Anliegen und die Rechte der Angestellten und das Personal bleibt auf der Strecke.« Neben der Rücknahme der Kündigungen fordert die Gewerkschaft die Option, innerhalb der Migros-Gruppe eine andere Arbeitsstelle aufzunehmen, eine demokratische Mitbestimmung des Personals bei Entscheidungen der Leitung sowie die Anerkennung des Rechts der Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Ob sich der Konzern darauf einlassen wird, scheint angesichts der strikten Umstrukturierung fraglich. Die Forderung nach einem Arbeitsstreik wird wohl bald auf dem Tisch liegen.
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