Zurück in den Krieg
Von Philip TassevIn dem verschärften Ton gegen »islamistische Gefährder« sind sich von AfD über Union bis SPD und Bündnis 90/Die Grünen alle einig. Differenzen gibt es aber beim Umgang mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Aus CDU/CSU mehren sich die Stimmen, die fordern, Ukrainer unter Umständen abzuschieben. Den jüngsten Vorstoß dieser Art machte Alexander Dobrindt am Sonntag: »Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der Westukraine«, so der CSU-Landesgruppenchef zu Bild am Sonntag. Damit ging er sogar noch ein Stück weiter als Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), der vor einer Woche noch dafür plädiert hatte, wehrpflichtigen Ukrainern das Bürgergeld zu streichen, denn »es passt nicht zusammen, davon zu reden, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen, und im gleichen Atemzug fahnenflüchtige Ukrainer zu alimentieren«. Mehrere CDU-Innenminister hatten gefordert, die Zahlung von Bürgergeld an ukrainische Kriegsflüchtlinge einzustellen und ihnen nur noch die geringeren Zahlungen nach dem »Asylbewerberleistungsgesetz« zuzugestehen.
Kurz nach Beginn der russischen Invasion 2022 hatten Union und Ampelparteien noch gemeinsam beschlossen, geflüchteten Ukrainern ohne Asylverfahren direkt Bürgergeld (damals noch Hartz IV) zu gewähren. Das sei zu dem Zeitpunkt als »schnelle Hilfe« gedacht gewesen, sei aber inzwischen »zur Arbeitsbremse« geworden, so Dobrindt.
Dessen Aussagen stießen am Sonntag bei Politikern von SPD und Grünen erwartungsgemäß auf Widerspruch. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese etwa sagte, auch zu Bild am Sonntag, die CSU solle sich »schämen« angesichts der Tatsache, dass »Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken« will, und »das C für christlich endgültig aus ihrem Namen streichen«.
Grünen-Chef Omid Nouripour bezeichnete es als eine »Unterstellung«, dass Ukrainer »wegen des Bürgergelds zu uns« kämen. Ukrainische Geflüchtete müssten zwar schneller »in Arbeit« gebracht werden. »Aber neue rechtliche Hürden, wie sie die CDU will, helfen da doch nicht, sie schaden.«
Martin Rosemann, Arbeitsmarktpolitiker der SPD-Fraktion, wies darauf hin, dass viele der ukrainischen Geflüchteten alleinerziehende Mütter seien: »Die Hürden für ukrainische Geflüchtete beim Start ins Arbeitsleben liegen bei der fehlenden Kinderbetreuung, mangelnden Sprachkenntnissen und der langwierigen Anerkennung von Berufsabschlüssen.«
Dobrindts Behauptung, es gebe »sichere Gebiete« im Westen der Ukraine, steht in völligem Widerspruch zur Realität. Auch wenn dort keine Kämpfe stattfinden, ist doch nur eines sicher: Zurückkehrende Männer werden zum Militär eingezogen, und Frauen müssen sich bei den Behörden für eine mögliche Verwendung melden. Das gilt zwar einstweilen hauptsächlich für medizinisches Personal. Überlegungen, auch Frauen in die Schützengräben zu schicken, gibt es allerdings in Kiew bereits.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. Juni 2024 um 14:39 Uhr)Dem Bayern (der bayerischen Politik) kann man eine gewisse Logik, Geradlinigkeit und Konsequenz nicht absprechen. Als Herkunftsland ist die Ukraine so sicher wie manches andere so bezeichnete Land, in das abgeschoben wird. Der Opportunismus der mit einem regenwurmartigen Rückgrat ausgestatteten PolitikerInnen von SPD und Grünen kennt keine Grenzen – in vielerlei Hinsicht.
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