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Aus: Ausgabe vom 24.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
KI-Konzerne

Große Erwartungen

Gigantische Blasenbildung am Aktienmarkt: Chiphersteller Nvidia überholt Microsoft
Von Felix Bartels
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Im Höhenrausch: Ein Chip-Produzent, der den langjährigen Branchenprimus abgelöst hat

Erst kommt der Boom, dann ein lautes »Boom«. In dieser Einsicht löst sich alle Kenntnis über die Börsenwelt auf. Gewiss, im Nachvollzug seiner kaum nachvollziehbaren Feinstrukturen ist der Finanzsektor ungleich schwerer zu begreifen, endlos lässt sich über die Spekulationsbranche spekulieren. Man verliert sich im berühmten Wald, den man vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Aufs Elementare kann nur kommen, wer sich nicht hineinbegibt.

Über Blasen weiß man vor allem, dass sie irgendwann platzen. Die Frage ist lediglich, wie laut der Knall sein wird. Ein wenig verrückt nimmt die Sache sich schon aus. Der Kurs eines Unternehmens am Aktienmarkt beruht auf der dortigen Nachfrage. Auf die Art kann ein Konzern deutlich mehr Wert erhalten, als er tatsächlich enthält. Liegt der zusammengerechnete Preis der am Markt befindlichen Anteile eines Unternehmen (Marktkapitalisierung) dauerhaft und deutlich über dessen realen Wert, wird von einer Blase gesprochen. Die Blase ist also zunächst nichts anderes als Ausdruck des Unterschieds zwischen Bewertung und Wert, beziehungsweise: zwischen Preis und Wert. Insofern passiert im Aktienhandel kaum anderes als im gewöhnlichen Handel. Der Wert, schreibt Marx in den »Grundrissen«, ist selbst nicht fasslich, das Wertgesetz setzt sich gerade erst durch die Abweichung von ihm durch, die Preise oszillieren um den Wert. Ein anderes Wort für Wertgesetz wäre demnach Realitätsprinzip. Dass im Aktienhandel eine Überwertung so lange erhalten bleiben kann, hängt wieder mit den Feinstrukturen des Finanzmarktes zusammen, was allerdings auch nur bedeutet, dass der Knall am Ende größer ist.

Im Kurs eines börsennotierten Unternehmens steckt also immer auch die Gewinnerwartung, nach Meinung der Käufer. Dennoch wird dieser Kurs behandelt wie ein realer Ausdruck seines Werts. »Der Chiphersteller Nvidia ist der wertvollste Konzern der Welt«, titelte zum Beispiel das Handelsblatt am Donnerstag. Gemeint war: Bei der Marktkapitalisierung konnte Nvidia sich an die Spitze des Aktienmarktes setzen.

Der Mikrochiphersteller Nvidia hat seinen Hauptsitz in den USA. Vor zwei Jahren noch war er vor allem in der Gamingszene bekannt, als Entwickler von Graphikkarten. Börsennotiert ist das Unternehmen seit 1999, zwischen dem Einstieg damals und dem Spitzenplatz heute liegt eine Steigerung der Marktkapitalisierung um 591.078 Prozent. Anders gesagt: Wer 1999 einen Dollar investiert hat, verfügt nun über 5.910 Dollar. Mit seinem gegenwärtigen Volumen von 3,34 Billionen US-Dollar hat Nvidia Microsoft (3,32 Billionen US-Dollar) kassiert, nachdem man Anfang Juni bereits an Apple (3,29 Billionen US-Dollar) vorbeigezogen war. Der Grund für diesen Lauf liegt nicht allein im realen Umsatz, sondern im Boom des KI-Segments, das allgemein als Markt der Zukunft angesehen wird.

Nvidia hat eine Schlüsselrolle bei der Anwendung von KI-Software. Die Konkurrenten Intel und AMD konnten sich daneben bislang kaum etablieren. Technisch ist der Ansatz des Softwareentwicklers in der Tat beeindruckend, wenn er sich denn als handfest erweist. Nvidia-Chef Jensen Huang glaubt, dass Mikrochips der Zukunft viele Informationen nicht mehr aus ihren Speichern abrufen, sondern sie auf Abfrage ad hoc generieren werden. Die neue Generation der Chips läuft unter dem Namen »Blackwell«. Während man vermittels des aktuellen Systems »Grace Hopper« die bekannte Text-KI Chat-GPT innerhalb von drei Monaten mit 8.000 Nvidia-Chips und einer Leistung von 15 Megawatt habe trainieren können, rechnet Huang bei »Blackwell« mit einem Einsatz von 2.000 Chips und vier Megawatt für denselben Zeitraum.

Infolge dieser Aussichten sind viele Firmen in Geschäftsbeziehung mit Nvidia getreten. Microsoft etwa, Google und Meta. Was zu einem Anstieg des Kurses dieser Firmen geführt hat und interessanterweise damit auch gleich zu weiteren Pushs des Nvidia-Kurses. Auf die Ankündigung des Computerherstellers Hewlett Packard zum Beispiel, künftig mit Nvidia kooperieren zu wollen, stieg der Kurs des Chipherstellers am Dienstag um 3,5 Prozent. Aktienkäufer reagieren auf Ankündigungen, nicht auf Ergebnisse.

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