75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 18. September 2024, Nr. 218
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 25.06.2024, Seite 8 / Inland
Gewerkschaft

»Es fehlen Mittel, die Probleme im Land zu lösen«

Verdi-Ortsverband Saar kritisiert Bundesvorstand für seinen Regierungskurs. Ein Gespräch mit Rainer Tobae
Interview: Susanne Knütter
imago0059250458h.jpg
Aufmüpfiger als die Zentrale: Verdi Saar wirft Bundesverband Nachgiebigkeit vor (Saarbrücken, 20.2.2013)

Der Verdi-Ortsverband Saar hat sich im Juni 2023 gegründet. Gab es einen bestimmten Grund?

Wir wollten eine neue Möglichkeit schaffen, die gesellschafts- und gewerkschaftspolitische Debatte in Verdi intensiver führen zu können. Und wir wollen in aktuelle Auseinandersetzungen eingreifen und Kollegen, die in betrieblichen und tariflichen Auseinandersetzung stehen, aktiv unterstützen.

Was kritisieren Sie am Gewerkschaftsvorstand?

Zunächst einmal finde ich, wir müssen uns aus der Einbindung in die Politik der Bundesregierung stärker lösen. Wir haben beim letzten Vorstandstreffen des Ortsverbands eine Erklärung beschlossen, in der wir an die Gewerkschaftsführungen appellieren, aktiv zu werden für Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit. Die Ankündigung der Bundesregierung, dass die Ukraine Waffen auf russischem Territorium einsetzen kann, bedeutet eine enorme Verschärfung. Das war der aktuelle Anlass. Wir sehen, dass durch den wahnsinnigen Aufrüstungskurs keine Mittel mehr vorhanden sind, um die Probleme im Land zu lösen.

In dem Appell fordern Sie den Schulterschluss der Gewerkschaften mit der Friedensbewegung. Was bedeutet das konkret?

Ich würde schon erwarten, dass die Friedensfrage stärker in den Mittelpunkt gerückt wird. Wenn Verdi auf dem Bundeskongress beschließt, Verdi ist Bestandteil der Friedensbewegung, dann heißt das auch, dass man aktiv wird in der Friedensbewegung.

In der gewerkschaftlichen Debatte geht es viel darum, wie man den Kollegen den Zusammenhang zwischen Aufrüstung und Sozialabbau erklärt. Was ist, wenn die Kollegen das wissen? Und die meisten sind ja auch gegen den Krieg. Was fehlt, sind die großen Aktionen.

Es ist schwierig, von fast null auf hundert in die Organisation von Großaktionen zu kommen. Da gibt es keinen Automatismus, auch wenn erkannt wird, wie notwendig das ist. Viele Kollegen verstehen auch den Zusammenhang zwischen Aufrüstung und Sozialabbau. Aber es mündet noch nicht – auch nicht in den gewerkschaftlichen Gremien – in den Aufschrei, das Ding jetzt zu wenden. Um da hinzukommen, müssen wir arbeiten. Und das ist es, was uns als Ortsverband aktiviert und antreibt. Wir möchten weiter das Unsere dazu tun und werden zum Beispiel zur Kundgebung des DGB am Antikriegstag in Völklingen mobilisieren.

Wie groß ist Ihr Einfluss in die Gewerkschaft hinein?

Unsere erste Veranstaltung war mit Frank Deppe zum Thema »Die Waffen nieder – Gewerkschaften in Kriegszeiten damals und heute«. Das Interesse war sehr groß. Wir haben für den Ostermarsch 40 Kolleginnen und Kollegen mobilisieren können. Wir waren am 1. Mai mit unseren Transparenten vertreten. Und das wird wahrgenommen.

Haben Sie Einfluss in die Verdi-Gremien?

Bei einer Veranstaltung – zum Beispiel in Auswertung des Verdi-Gewerkschaftskongresses – mit unserm Geschäftsführer Saar/Trier, Thomas Müller, haben wir unsere Positionen dargelegt. Wir sind mit zwei Vertretern im Verdi-Bezirksvorstand vertreten, dort bringen wir Themen ein.

Wer kommt zu Ihren Veranstaltungen?

Wir erreichen immer wieder neue Leute. Wir hatten zum Beispiel eine Veranstaltung zu Krisen des globalen Kapitalismus und gewerkschaftlichen Transformationsstrategien zusammen mit Hans-Jürgen Urban von der IG Metall und der Arbeitskammer des Saarlandes. Denn wir stellen ja fest, wenn man so eine Politik betreibt, die die Reichen nicht belastet, die Schuldenbremse nicht antastet und gleichzeitig Abermilliarden in der Rüstung verbrennt, dann gibt es keine Mittel mehr, die Probleme im Land zu lösen. Egal, ob das die Wohnungsfrage oder die Frage der Transformation ist. Ford verlässt das Saarland. Nun fordert die Junge Union, auf dem Ford-Betriebsgelände Panzer zu produzieren. Und das saarländische Wirtschaftsministerium hat signalisiert, darüber muss man mal nachdenken. Das ist eine Transformation, die wir ablehnen. Die Saarländische Landesbank hatte die Regel, keine Kredite an Rüstungsbetriebe zu vergeben. Das wurde nun verändert. Das haben wir scharf kritisiert und versuchen so, die öffentliche Debatte zu beeinflussen.

Rainer Tobae ist Vorsitzender des ­Verdi-Ortsverbandes Saar

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (25. Juni 2024 um 09:53 Uhr)
    Eine komische Feststellung . . . . . . die Deutschen Gewerkschaften – bis auf wenige Ausnahmen – sind sozialdemokratisch geprägt, Sozen halten wichtige Schlüsselpositionen besetzt. Nicht das jemand oder etwas den »Generalkurs« verändert . . . Der Rest ist Schweigen und Mitmachen, bis das Land am Ende ist!

Ähnliche:

Regio:

                                        Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Kampf ums Klima