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Aus: Ausgabe vom 26.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Textilindustrie in Pakistan

Devisenbringer in der Krise

Pakistans Textilbranche, Rückgrat der Exportwirtschaft, ächzt unter Energiekosten
Von Thomas Berger
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Vor allem hohe Energiekosten belasten Pakistans Textilsektor erheblich

Einen »Mayday-Ruf für die Textilbranche« setzte die Wirtschaftsredaktion der pakistanischen Zeitung The Express Tribune vor einigen Tagen ab, und fügte hinzu: Textilien machen rund 60 Prozent der Exporte des südasiatischen Landes aus. Das hängt finanziell am Tropf von IWF-Beihilfen und bilateralen Krediten. Und 30 Prozent der Importe entfallen auf Energieträger, deren gestiegene Preise wiederum gerade der Textilindustrie zu schaffen machen.

Der Sektor hatte im Finanzjahr 2021/22 mit Ausfuhren im Wert von 19,3 Milliarden US-Dollar ein historisches Rekordergebnis erzielt – die Textilfabriken profitierten von der Abschottung der chinesischen Konkurrenz in der Pandemie. Die sprunghaft gestiegene Nachfrage half, zahlreiche auf der Kippe stehende Jobs zu sichern, vorübergehend. Immerhin 45 Prozent aller Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe Pakistans entfallen auf den Textilsektor.

Nach dem Allzeithoch bei den Textilexporten fielen diese im Finanzjahr 2022/23 auf 16,5 Milliarden US-Dollar. Die Preisrally auf den weltweiten Energiemärkten habe das produzierende Gewerbe in Pakistan hart getroffen, konstatierte das Wirtschaftsnewsportal Business Recorder. Da es der Exportindustrie an Vielfalt fehle, treffe das in besonderer Weise die Textilbranche. Als das Finanzjahr am 30. Juni 2023 mit dem »alarmierenden« Minus von 14,63 Prozent endete, war das Schlimmste nicht überstanden. Der Abwärtstrend aber hat seitdem angehalten. Die Novemberzahlen etwa lagen etwas mehr als zehn Prozentpunkte unter denen des Vorjahresmonats. Im Februar sprach das Branchenmagazin Textile Focus von einer »Krise, die es in diesem Ausmaß bisher nicht gegeben« habe.

Die Tatsache, dass die Exportzahlen in den ersten zehn Monaten des Bilanzjahres 2023/24 gegenüber dem Vergleichszeitraum auf etwa dem gleichen Level lagen, kann dabei nur bedingt beruhigen. Laut dem Portal Ary News, das sich auf die Daten der Statistikbehörde PBS berief, hatten die Exporte bis Ende April einen Wert von 13,68 Milliarden US-Dollar. Das Minus lag gerade einmal bei 0,19 Prozent. Ein großes Wachstum bei der Ausfuhr von Garn (plus 32 Prozent) konnte Umsatzeinbrüche in anderen Segmenten ausgleichen, auch der Export von Handtüchern legte um 4,89 Prozent zu.

Dass sich die Stromkosten seit dem Exportrekord von umgerechnet 9,5 Cent auf 17,5 Cent pro Kilowattstunde beinahe verdoppelt haben und Gaspreise sogar um stolze 223 Prozent gestiegen sind, bringt laut der Express Tribune dennoch viele Betriebe in Bedrängnis. Immer wieder wird kritisch angemerkt, dass die Wertschöpfung größer wäre, würde Pakistan mehr Endprodukte exportieren statt zum großen Teile Garne und Halbfabrikate, bei denen die Gewinnspanne deutlich niedriger liegt. Pakistan ist der viertgrößte Baumwollproduzent der Welt.

Neben den Energiekosten seien die Preise für benötigte Chemikalien in letzter Zeit sehr stark gestiegen, erklärt Azizullah Goheer, Generalsekretär der Pakistan Textile Exporters Association (PTEA). Die Schwäche der Rupie mache die Einfuhren noch einmal teurer.

Die Express Tribune erinnerte an weitere Entwicklungsrückstände. Nur etwa 15 Prozent aller industriellen Abwässer in Pakistan werden geklärt, auch nach Färbeprozessen in Textilfabriken ist das die Ausnahme. Und nicht zuletzt ist die Ausbeutung weitverbreitet: In der Provinz Sindh war Mitte 2022 die Anhebung des Mindestlohns um 40 Prozent auf rund 116 US-Dollar monatlich als Riesenerfolg gefeiert worden. Ein Bericht von Textalks.com Ende 2023 brachte zutage, dass dieser selten gezahlt wird. 350 Arbeiter wurden befragt, 97 Prozent hatten keinen Arbeitsvertrag, 80 Prozent keine schriftliche Lohnabrechnung, knapp ein Drittel war über Subunternehmer angestellt.

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