Ruge, Zeh
Von Jegor JublimovWussten Sie, dass der Autor Eugen Ruge, der am Montag 70 wurde, in der DDR ursprünglich entsprechend seiner Ausbildung als Seismiker an der Akademie der Wissenschaften in Adlershof arbeitete? Als ihm bei seiner Arbeit zur Entwicklung eines neuen Atomkraftwerks in Thüringen grundsätzliche Bedenken kamen, wechselte er 1986 seine Arbeitsgrundlage und wurde Autor. Und auch hier hat er sich mit seismischen Prozessen in der Gesellschaft befasst, am deutlichsten vielleicht in seinem jüngsten Roman »Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna« (2023), der die Gesellschaft des alten Roms mit Anspielungen auf die Gegenwart verbindet.
Eugen Ruge, der beim Dokumentarfilm begann, Dramatisches für Funk und Bühne schrieb (darunter Tschechow-Übersetzungen) und für sein erzählerisches Werk mehrfach ausgezeichnet wurde, wurde als Sohn des nach Moskau emigrierten marxistischen Historikers Wolfgang Ruge im Nordural geboren, weil der Vater in Stalins Mühlen geraten war und sich in einem Arbeitslager »bewähren« musste. Als Eugen zwei Jahre alt war, zog die Familie nach Potsdam. Die Geschichte dieser Familie (zu der auch Marx’ Mitstreiter Arnold Ruge zählt) hatte Eugen als Autor immer im Hinterkopf. In dem Schlüsselroman »In Zeiten des abnehmenden Lichts« (2011), der 2017 von Matti Geschonneck verfilmt wurde, griff er die Zeit der ehemaligen Emigranten in der DDR-Gesellschaft mit bissiger Schärfe auf und verkürzte manch Problem durch Weglassen. Sein Onkel Walter Ruge, auch ein Emigrant in der Sowjetunion und bis zu seinem Tode 2011 jW-Autor, konstatierte Zynismus und Hass auf die DDR und nahm ihm übel, dass seiner Figur im Roman keine Entwicklung zugestanden wurde, weil Eugen sie im Gulag sterben ließ.
Heute teilt Eugen Ruge einige Positionen von Sahra Wagenknecht, warnte schon 2014 vor den möglichen Folgen der Russland-Politik des Westens und unterzeichnete 2023 das »Manifest für den Frieden«. Weitere seismische Wellen stehen bevor.
Einen Roman von Juli Zeh hat Matti Geschonneck ebenfalls verfilmt. »Unterleuten – Das zerrissene Dorf« war ein ZDF-Dreiteiler, der 2020 immerhin über sechs Millionen Zuschauer fesselte. Die Autorin schilderte hier die Fronten, die die Pläne eines eigennützigen, aus dem Westen gekommenen Investors für Windkraftanlagen in einem märkischen Dorf schaffen. Der Roman sei »solide erzählt und weniger geschichtsvergessen, als bei Bestsellern üblich«, bemerkte die jW damals.
Zeh wurde vor 50 Jahren am 30. Juni in Bonn geboren, wo ihr sozialdemokratischer Vater in der Verwaltung des Bundestages arbeitete, die er drei Jahrzehnte später als Direktor leiten sollte. Nach Studien der Jurisprudenz in Passau, New York und Leipzig verschlug es Juli Zeh 2007 in ein Dorf im Havelland, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Neben ihrer literarischen Arbeit und dem Mitwirken am »Literarischen Quartett« des ZDF zählt dazu auch die als ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Wiederholt hat sie sich mit Kritik an der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine hervorgetan.
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