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Aus: Ausgabe vom 26.06.2024, Seite 16 / Sport

Verdammte Hippies

Von André Dahlmeyer
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Das erste Mal so richtig Geld verdienen: Franz Beckenbauer, Pelé und Giorgio Chinaglia haben eine gute Zeit in den USA (1977)

Einen wunderschönen guten Morgen! Seit einer Woche läuft in den USA die 48. Copa América. Die Spiele des ältesten Nationalmannschaftsturniers der Welt sind in 200 Ländern und Territorien auf der ganzen Welt zu sehen. Fußball kann bei den Amis noch immer nicht mit sehr viel populäreren Sportarten wie American Football, Baseball, Basketball oder Eishockey mithalten, nicht mal mit Leichtathletik, erlebt aber gerade zweifelsohne einen Boom. Schon acht Jahre nachdem die Vereinigten Staaten anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Wettbewerbs denselben erstmals ausrichteten, kehrt die Copa also zurück und soll nun als Feuerprobe für die dort sowie in Mexiko und Kanada stattfindende WM 2026 dienen. Für die sechs Vertreter der Concacaf wird es dabei vor allem darum gehen, ihre Wettbewerbsfähigkeit auszuloten und gegebenenfalls zu optimieren.

Die Bahn des US-Soccers war lang und holprig. Doch Umwege haben noch niemandem geschadet, wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke. Gleich bei der ersten Fußball-WM 1930 im Uruguay nahm die Nationalmannschaft der USA teil (13 Teilnehmer) und erreichte nach 3:0 Erfolgen gegen Belgien (gaben Platz und Schiri die Schuld) und Paraguay (erster Hattrick bei einer WM-Endrunde durch Bert Patenaude) auf Anhieb überraschend das Halbfinale, wo freilich beim 1:6 gegen Argentinien Endstation war. Immerhin konnten die Stars and Stripes bis zum Pausen-Asado tapfer ein 0:1 halten, doch dann wurde abgerechnet. Das Spiel wurde zur Regenschlammschlacht und obwohl Mittelläufer Raphael Tracey bereits in der 19. Minute einen Beinbruch erlitt, kickte er bis zur Pause weiter. Früher war anders und aber ähnlich. Rädelsführer der Yankees war Kapitän Tom Florie, Sohn italienischer Einwanderer. Er war auch der letzte im 19. Jahrhundert geborene Spieler, der aktiv an einer WM partizipierte. Auch das zweite Halbfinale endete eindeutig, Uruguay besiegte Jugoslawien ebenfalls mit 6:1, Europa war noch nicht so weit.

Referee war indes, wie später im Endspiel, der Belgier Jean Langenus. Im Hauptberuf Beamter der Provinzverwaltung Antwerpens avancierte er rasch zum ersten Schiri, der Kultstatus erlangte. Bohnenstangengroß, trug er auf dem Platz stets korrekt Krawatte und Knickerbocker. Vor dem damaligen Endspiel zwischen Uruguay und Argentinien insistierte er unbeirrt darauf, die 60.000 Zugucker im Parque Centenario Montevideos auf Waffen zu durchsuchen. Sichergestellt wurden rund 1.600 Revolver. Offensichtlich waren die Kontrollen eher lax. Heute wäre das anders.

Die USA nahmen auch 1934 (Achtelfinale) und 1950 (Sieg über England!) an Weltmeisterschaften teil, dann begannen 50 Jahre Dunkelheit. Highlight war nach dem dritten Platz 1930 die WM 2002 (achter Platz, erst im Viertelfinale unverdient von Deutschland ausgeknockt). Soccer-Ligen gab es in den USA schon immer. Als in den 60er/70er Jahren die NASL gegründet wurde und Hippiemillionäre viel Geld in den Sport investierten, kamense alle jeloofen: Pelé, Beckenbauer, Gerd Müller, Perus Superstar Teófilo Cubillas, Cruyff, Peter Nogly vom HSV und selbst George Best ließen sich nicht lumpen. Für Bundesligastars respektive Weltmeister hieß das, das erste Mal so richtig Geld zu verdienen. Das Projekt scheiterte rasch. Im Management saßen nur Hippies und Franz Beckenbauer wechselte zum HSV, wo sein Kumpel Günter Netzer, die Porsche fahrende Rampensau, die Strippen zog. Der Bazi wurde mit den Norddeutschen auf Anhieb Deutscher Meister. Was von der Soccer-Liga der Post-Hippie-Zeit blieb, war vor allem das Pilotprojekt des Videoschiedsrichterassistenten. Der war freilich der Schiri in Personalunion. An der Torauslinie spulte er ellenlang Videokassetten hin und her, Spiele dauerten so damals immer länger als drei Stunden. Ein irrer Gag der Videoindustrie.

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