EM-Depesche (10)

T. Bartels: »Macht Sinn?« Kokommentatorin A. Schult: »Macht Sinn.«

Ich empfehle heute, um diese Glosse durchzustehen, als Begleitmusik von King’s X »Sometime« (Platte: »Ear Candy«).

Alle haben sie im Netz herumgeschnattert, weil der ZDF-Experte Per Mertesacker das Wort »Spielermaterial« verwendet hat und daraufhin vom Breyer Jochen auf unnachahmlich kuschelpädagogische Art zurechtgewiesen wurde, das zieme sich nicht, das erinnere an das »Menschenmaterial«, als welches Soldaten in Kriegen verheizt würden.

Also benutzen wir alle von nun an das Wort »Menschenmaterial« nicht mehr, und sofort herrscht Frieden auf der ganzen Welt, und ich aber bezeuge, dass – ich verfüge über unzählige Belege – sämtliche Sprechautomaten auf allen Kanälen unentwegt von »Spielermaterial« reden (selten synonym von der »Qualität auf der Bank«) und damit unbewusst mal der Wirklichkeit zum Ausdruck verhelfen, denn was anderes als (freilich satt entlohntes) »Spielermaterial« sollen die in die kapitalistische Fußballeistungsmühle hineingeschmissenen Bolzbrüder sein? Humanistische Missionare? Botschafter der Liebe? Freunde und Helfer der bedrohten Fauna?

Weshalb echauffiert sich im Orkus namens Social Media niemand über den Stuss und Tand, den unsere geldgemästeten Erklärbärinnen und -bären ohn’ Unterlass in die Wohnstuben, Kneipen und Biergärten pusten?

Almuth Schult, die im alpenländischen Beobachter selbstverständlich zur Gigantin geadelt wurde, hebt hervor, »was er (der österreichische Keeper) für ’nen Kontakt nimmt«, mahnt an, »dass man den Geist der Mannschaft schürt«, und fordert, dass man »die Eigenverantwortung selbst in die Hand nimmt« – ein astreiner Doppelpleonasmus, der Eingang in jedes Lehrbuch der Logik finden müsste.

Oder Weltmeister Shkodran Mustafi (RTL/Magenta TV): »Du gehst in jedes Spiel, weil du gewinnen willst.« Leck mich fett. Thomas Hitzlsperger: »Der meiste Spaß kommt, wenn man gewinnt.« Donnerwetter. Nationalspielerin Laura Freigang: »Wenn man nicht schießt, geht er auch nicht rein.« Heureka. Schult neuerlich: »Wenn sie die Tore machen, haben sie verdient gewonnen.«

»Was macht (da) jetzt Sinn?« – einen tieferen –, fragen wir uns mit P. Großmann beklommen. Mustafi: »Du musst halt auch Sachen machen, die Sinn machen.« Ach so. Auf dass es heiße: »Das macht alles total Sinn« (Wolff-Christoph Fuss, RTL/Magenta TV). Was der unermüdliche Sinnmacher L. Matthäus »am Ende des Tages« (ächz) selbstreflexiv bestätigt: »Alles, was er macht, hat Sinn und Fuß gemacht.«

Bei einem derartigen Medienpersonal macht kein »Bessermacher« (İlkay Gündoğan) mehr Sinn. Einzig ein Aufräumer à la Harvey Keitel.