Indiens missliebige Berichterstatter
Von Thomas Berger![imago0307032471h.jpg](/img/450/196563.jpg)
Jahre lang hat der französische Journalist Sébastien Farcis unter anderem für die linksliberale Zeitung Libération und Radio France als Korrespondent aus Indien berichtet. Auch Radio France Internationale sowie die öffentlich-rechtlichen Sender aus Belgien und der Schweiz griffen auf seine Präsenz vor Ort und langjährige Expertise zurück. In der vergangenen Woche ist er nun ausgereist, nachdem sein Journalistenvisum nicht erneuert worden war. Dies teilte Farcis auf X mit und sprach in diesem Zusammenhang von einem Akt der Zensur. Das faktische Arbeitsverbot bestehe schon seit drei Monaten, in denen er nicht seiner Einkommenstätigkeit nachgehen könne – am 7. März habe das Innenministerium ohne Angabe von Gründen die Verlängerung des Journalistenvisums verweigert. Ein Widerspruch dagegen sei bislang ebenfalls erfolglos geblieben.
Es ist nicht das erste Mal, dass es ausländische Berichterstatter trifft, deren Darstellung der Zustände im Land der Regierung offenbar ein Dorn im Auge ist. Der einheimische Berufsverband Delhi Union of Journalists (DUJ) zeigte sich deshalb zutiefst besorgt. In der laufenden ersten Sitzungswoche des neugewählten indischen Parlaments mahnte er zu »größerer Toleranz gegenüber Ansichten, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes publiziert werden«. Bereits im März hatte Avani Dias, die Südasienkorrespondentin der australischen ABC, unter stark gewachsenem Druck Indien verlassen. Mürbe gemacht habe sie eine regelrechte Kampagne aufgrund kritischer Berichterstattung, schrieb sie erst vor wenigen Tagen. Behördlicherseits gehörte dazu, dass Arbeitsvisa mehrfach aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht verlängert wurden. Ebenfalls im Frühjahr ausgereist ist Sébastien Farcis’ französische Berufskollegin Vanessa Dougnac, die sogar 23 Jahre lang auf dem Subkontinent gewirkt hatte. Wie Farcis hat sie eine generelle Aufenthaltsberechtigung als »Overseas Citizen of India«, da sie einen einheimischen Ehepartner hat. Trotzdem ist ein zusätzliches Arbeitsvisum für journalistische Tätigkeiten vorgeschrieben.
Indien kokettiert selbst gern damit, die »größte Demokratie der Welt« zu sein. In Sachen Pressefreiheit beklagen Medienschaffende aber schon seit geraumer Zeit, unter verstärktem Druck zu stehen. »Mit Gewalt gegen Journalisten, hochkonzentrierter Medieneignerschaft und politischer Einflussnahme befindet sich die Pressefreiheit in der Krise«, hatte auch die – allerdings nicht immer durch Unparteilichkeit aufgefallene – Organisation Reporter ohne Grenzen zu Indien konstatiert, als sie im Mai ihren »Pressefreiheitsindex 2024« vorstellte. In diesem steht das Land aktuell lediglich auf Rang 159 von 180 – eine Verschlechterung um zwei Plätze gegenüber dem Vorjahr. Auch in einem kritischen Zusatzbericht der Organisation zu gefährdeter Pressefreiheit zunehmend autoritär agierender Regierungen in Asien-Pazifik-Raum taucht Indien auf. Der neue Pressefreiheitsreport lasse »die Alarmglocken läuten«, titelte dazu das renommierte indische Magazin Frontline.
Es sind nicht nur ausländische Reporter betroffen: In dieser Woche meldete sich der regionale Gewerkschaftsverband Andhra Pradesh Union of Working Journalists (APUWJ) zu Wort, um eine Abschaffung der Anordnung GO 2430 zu fordern, mit der die Vorläuferregierung die Medienfreiheit bedroht hatte. Auf einer Tagung, so ein Bericht des Indian Express vom Donnerstag, forderte er auch, alle Anzeigen gegen Medienschaffende der vergangenen fünf Jahre fallenzulassen. Immerhin hatte ein Gericht in Delhi kurz zuvor verfügt, dass vier telugusprachige Newsportale aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh ihre Lizenz zurückerhalten.
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