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Aus: Ausgabe vom 27.06.2024, Seite 7 / Ausland
Libanon

Blinkens Papagei

Libanon: Deutsche Außenministerin Baerbock auf Kurzvisite in Beirut. Einseitiger Rückzug der Hisbollah gefordert
Von Karin Leukefeld
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Umringt von Kameraleuten: Baerbock und ihr Amtskollege Abdallah Bou Habib in Beirut

Auf der Rückreise von Tel Aviv nach Berlin hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag einen Zwischenstopp in Beirut eingelegt. Sie wurde von Außenminister Abdullah Bou Habib empfangen und traf auch mit Ministerpräsident Nadschib Mikati zusammen.

Am Tag zuvor hatte die Ministerin »im diplomatischen Dauereinsatz« – so das Auswärtige Amt – auf der israelischen Sicherheitskonferenz Herzlia gesprochen, sich Fotos von israelischen Geiseln auf den Handys der Angehörigen angesehen und mit dem amtierenden Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Mustafa, in Ramallah die Hände geschüttelt. Sie traf den israelischen Außenminister Israel Katz und warb für die Annahme des »Biden-Plans« für einen Waffenstillstand. Sie forderte die Hamas dazu auf, diesen anzunehmen.

Ihr anschließender Aufenthalt in Beirut war so kurz, dass die Bevölkerung im Libanon ihn kaum wahrnahm. Dem Protokoll zufolge sprach Baerbock mit Mikati und Bou Habib über die Gefahr eines neuen Krieges zwischen Israel und dem Libanon, der unbedingt verhindert werden müsse. Baerbock, die seit Beginn des Gazakrieges jeweils mit wenigen Tagen Abstand US-Außenminister Antony Blinken auf seinen Touren durch die Region folgt – inzwischen zum achten Mal –, wiederholt zumeist das, was Blinken zuvor gesagt hat.

Nach ihrer Rückkehr verschärfte das Auswärtige Amt am Mittwoch seine Reisehinweise und forderte deutsche Staatsangehörige dazu auf, das Land schnellstmöglich zu verlassen. Gegenüber dem Deutschlandfunk (DLF) sagte Baerbock, die Menschen im Süden des Libanon und im Norden Israels sollten in ihre Wohnungen zurückkehren können, der anhaltende Beschuss aus dem Libanon auf den Norden des von Israel beanspruchten Gebietes Galiläa müsse aufhören. Die Folgen eines weiteren Krieges (gegen Libanon) bedeuteten eine »regionale Eskalation ungeahnten Ausmaßes«. Die Hisbollah müsse sich 30 Kilometer von der Grenze zurückziehen, forderte Baerbock, »da gibt es eine UN-Resolution«. Die UNSR-Resolution 1701 aus dem Jahr 2006 listet allerdings zahlreiche Punkte auf, an die sich sowohl die Hisbollah als auch Israel halten sollen. Auf die Frage des DLF-Reporters, was sie von ihren Gesprächspartnern zu der Rückzugsforderung gehört habe, meinte Baerbock: »Die sehen das auch so.« Leider sei es so, dass es keinen gewählten Präsidenten im Libanon gebe und die Regierung keinen Zugriff auf die Hisbollah habe. Darum stärke Deutschland die UN-Mission UNIFIL im Südlibanon und die libanesische Armee. Die deutsche Außenministerin räumte jedoch ein, dass eine Waffenruhe im Südlibanon nur erreicht werden könne, wenn auch in Gaza ein Waffenstillstand erreicht sei.

Tatsächlich stehen die Libanesen einschließlich der amtierenden Regierung aktuell mehrheitlich hinter der Hisbollah und fordern einen Waffenstillstand in Gaza, um Waffenruhe im Südlibanon zu erreichen. Ohne nähere Quellenangaben hieß es in einem Artikel der libanesischen Tageszeitung Al-Dijar, die deutsche Delegation habe einen »politisch-diplomatischen« Aspekt und gleichzeitig eine »versteckte sicherheits- und geheimdienstliche« Aufgabe gehabt. Berlin verfüge über »direkte Kommunikation mit Haret Hreik«, so die Zeitung. Haret Hreik ist ein südlicher Stadtteil von Beirut, in dem sich unter anderem das Pressebüro der Hisbollah befindet. Der »deutschen Delegation« hätten »hochrangige Sicherheitsbeamte« angehört, die Libanon regelmäßig besuchten und direkte Treffen mit Vertretern der Hisbollah gehabt hätten. Deutschland unterstütze den französischen Plan, der Verhandlungen über verschiedene Punkte wie die UNSR-Resolution 1701 vorsehe, um einen großen Krieg in der Region und im Libanon zu vermeiden.

Unklar ist, ob die Regierung in Berlin tatsächlich frühere Kontakte des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) reaktiviert hat, um mit der Hisbollah zu kommunizieren. Anfang der 2000er Jahre hatte der BND – in Person des langjährigen Mitarbeiters Gerhard Conrad – zwischen Israel und der Hisbollah sowie zwischen ­Israel und der Hamas einen Geisel- und Gefangenenaustausch vermittelt.

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