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Aus: Ausgabe vom 28.06.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Tarifverhandlungen

»Ein kraftvolles Forderungspaket«

VW-Haustarifvertrag: Gesamtbetriebsratschefin Cavallo erwartet Themen aus dem »Giftschrank« der Konzernbosse
Von Oliver Rast
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Wolfsburger Festakt »50 Jahre Golf-Produktion« Anfang Juni: Mittenmang GBR-Vorsitzende Daniela Cavallo

Zweierlei hat Tradition beim »Kraft durch Freude«-Volkswagenkonzern (VW). Gut, nicht nur, aber: Ein Haustarifvertrag und firmeninterne Tarifverhandlungen parallel zur bundesweiten Runde der Metall- und Elektroindustrie (ME). Beides findet im Herbst statt, ab Oktober bei VW und schon ab Mitte September in der ME.

Kaum jemand weiß es noch: Die erste Vereinbarung zwischen Konzernbossen und IG Metall (IGM) gab es im September 1948. Damals reichten den Verhandlern drei Seiten für die 8.719 Beschäftigten des Wolfsburger Werks, schrieb die Wolfsburger Allgemeine im vergangenen Herbst anlässlich des 75jährigen Jubiläums. Besonders auffallend: Die kleine Lohntabelle war mittig geteilt, links Männer, rechts Frauen. Einkommensspezifisches Gendergap. Beinahe hymnisch steht auf der Homepage der IGM zum sozialpartnerschaftlichen Dreivierteljahrhundert: »Über die vielen Jahrzehnte hat der Haustarif bei Volkswagen immer wieder auch die Tarifpolitik der IG Metall insgesamt beeinflusst und Meilensteine deutscher Tarifgeschichte gesetzt.«

Wenn im Herbstmonat Oktober die Gespräche beginnen, geht es um rund 120.000 Kolleginnen und Kollegen an den sechs VW-Standorte Braunschweig, Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter und Wolfsburg. Zudem um Beschäftigte der Tochtergesellschaften Financial Services, Immobilien und die DX.One GmbH. Wenig überraschend, mit drei Seiten kommen die Tarifpartner schon lange nicht mehr aus. Es sind Hunderte. Die Vertragswerke werden komplizierter und komplexer. Allein bei VW besteht der Haustarifvertrag aus mehr als einem Dutzend Einzeltarifverträgen. Vom Entgelt und der Leistungs- und Personalbemessung über tarifliche Zulagen und Zusatzvergütungen bis hin zur Ausbildung und Altersteilzeit.

Derzeit läuft bei Volkswagen – konzernweit, marken- und gesellschaftsübergreifend – »ein Effizienzprogramm für mehr Renditekraft«, wissen Betriebsräte. Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates (GBR), Daniela Cavallo, ist bereits vorgeprescht: Sie rechne fest damit, dass Volkswagen im Zuge der Tarifverhandlungen »den Giftschrank« öffnen und bestimmte Forderungen wie Gehaltsverzicht und weniger Auszubildende stellen werde, äußerte die GBR-Chefin bei der Betriebsversammlung Anfang Juni im Wolfsburger VW-Werk. Cavallo mahnte, die Belegschaft sei »konfliktbereit«, das solle niemand unterschätzen.

Zuvor war durchgesickert, dass Konzernbosse den Beschäftigten der Jahrgänge 1967, 1966 und 1965 weiterhin Angebote zur Teilzeit unterbreiten wollen. Nicht nur das: VWler weiterer Jahrgänge können gegen Abfindung Aufhebungsverträge unterschreiben und das Unternehmen verlassen. Vorausgesetzt, der jeweilige Vorgesetzte stimmt zu. »Doppelte Freiwilligkeit« heißt das.

Der Mikrokosmos VW befördert Dünkel und Pfründe. Zumeist fällt auch etwas für die Autobauer in den Werkshallen ab. Zunächst: Das Niveau des Volkswagen-Haustarifvertrages liegt in der Regel leicht über dem Niveau vergleichbarer regionaler Flächentarifverträge und enthält bestimmte Extras. Eine Ergebnisbeteiligung etwa. VW-Tarifbeschäftigte bekommen für 2023 eine Prämie von 4.735 Euro. Das sei mehr als im Jahr davor, hatte die Automobilwoche im März berichtet.

Bleibt noch: Was fordert die IGM bei den anstehenden Tarifgesprächen? Unter dem Strich das, was für die ME-Runde von den Tarifkommissionen am 21. Juni beschlossen worden war: eine tabellenwirksame Entgelterhöhung um sieben Prozent für zwölf Monate. Eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 170 Euro je Ausbildungsjahr für zwölf Monate. »Ein kraftvolles Forderungspaket« steht in großen Lettern auf der VW-Gewerkschaftshomepage. Cavallo ergänzte: Die Entgeltforderung, der Kern von allem, »ist eine Ansage mit Augenmaß«. Sie werde der Situation des Unternehmens gerecht, das gut beraten wäre, »endlich die entscheidenden Renditehebel zu bedienen«. Die sind? Gute Produkte, ein attraktiver »Arbeitgeber« und eine motivierte Belegschaft.

Die Verhandlungsführer der VW-Bosse äußern sich nicht zu den IGM-Forderungen. Nicht vor dem Gesprächsauftakt. Auch das hat Tradition.

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