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Aus: Ausgabe vom 28.06.2024, Seite 6 / Ausland
Kolumbien

Erschwerte Friedensverhandlungen

Kolumbien: Armee erschießt Guerillakommandanten vor Beginn der Friedensgespräche in Caracas. Bedauern von Regierungsvertreter löst Debatte aus
Von Julieta Daza, Caracas
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Mit besten Absichten trafen sich die Vertreter der bewaffneten Gruppen Kolumbiens im Nachbarland (Caracas, 24.6.2024)

Mit Willen zum Dialog und zum Frieden, gleichzeitig aber auch einigen Bedenken und großen Schwierigkeiten haben die Friedensverhandlungen zwischen der progressiven kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation »Segunda Marquetalia – Ejército Bolivariano« (Zweites Marquetalia – Bolivarische Armee) begonnen.

Am Montag (Ortszeit) ist der Friedensprozess bei einem unter anderem über den Fernsehsender Telesur live übertragenen Akt in der venezolanischen Hauptstadt Caracas eröffnet worden. Venezuela ist neben Kuba und Norwegen einer der Staaten, die die Verhandlungen gewährleisten sollen. An der Veranstaltung nahmen der Friedensbeauftragte der kolumbianischen Regierung, Otty Patiño, und der Comandante der Guerilla, Iván Márquez, teil. Auch der venezolanische Außenminister Yván Gil saß mit auf dem Podium.

Regierungssprecherin Gloria Arias und die einzige Frau in der Guerilladelegation, Jhurleny Guerrero, verlasen eine gemeinsame Erklärung. Die erste Verhandlungsrunde endet am Sonnabend. Bis dahin sollen die Themen der Friedensagenda, der Mechanismus der Verhandlungen, Maßnahmen zur Deeskalation des Konflikts sowie erste Aktionen zur Errichtung von Friedenszonen vereinbart werden.

Am Tag vor Beginn der Gespräche hatte die Armee den Guerillakommandanten Hermes Guerrero in der südlichen Region Nariño getötet. In einer Erklärung legten beide Seiten daher zunächst fest, wie sie mit dieser ersten Schwierigkeit für den Friedensdialog umgehen wollen: »Wir bedauern, dass am Vorabend der Aufnahme dieses Prozesses der aufständische Comandante Hermes Guerrero, Mitglied der ›Segunda Marquetalia‹, getötet wurde. Der Verhandlungstisch verpflichtet sich dazu, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben und die Sicherheit der am Prozess Beteiligten und der Bevölkerung im allgemeinen zu gewährleisten«. Weiter wollen sie »das Vertrauen des ganzen Landes und der internationalen Gemeinschaft in die Friedensgespräche erhalten«.

Der Anführer der Guerilladelegation, Walter Mendoza, bezeichnete den Tod von Guerrero als schwierigen Anfang der Verhandlungen. Der Friedensbeauftragte der kolumbianischen Regierung zeigte sich reuevoll: »Wir bedauern die gestrigen Geschehnisse zutiefst«, erklärte er, »wir haben das Vertrauen, das wir seit Februar mit der ›Segunda Marquetalia‹ aufgebaut haben, untergraben.« Es sei ein schwerwiegendes Ereignis, »so verstehe ich es, und so verstehen es der Präsident, der Verteidigungsminister und die Führung der Streitkräfte«. Bereits Anfang Juni war bei einem Treffen zwischen den Delegationen zur Verhandlungsvorbereitung eine Deeskalation des Konflikts festgelegt worden. Trotzdem sorgten Patiños Worte in den bürgerlichen Medien Kolumbiens für große Aufregung. Einige rechte Politiker kritisierten, dass er den Tod eines »Kriminellen« oder »Terroristen« bedauere. Auch der kolumbianische Verteidigungsminister Iván Velásquez bezeichnete die Militäroperation, bei der Guerrero getötet worden war, am Montag abend (Ortszeit) auf dem Onlinedienst X als »legitim«.

Über die Tötung Guerreros hinaus stehen die Friedensverhandlungen vor weiteren Schwierigkeiten: Der Regierung bleiben nur noch zwei Jahre bis zu den Präsidentschaftswahlen. In einigen bürgerlichen Medien wird auch über den Gesundheitszustand des Guerillakommandanten Márquez spekuliert. 2022 hatten mehrere Quellen sogar behauptet, der Comandante sei bei einem Attentat getötet worden. In den jetzigen Gesprächen betonte Márquez, dass es sich um einen neuen Friedensdialog mit einer neuen Guerilla handele. Ihre Gründung sei die nötige Antwort auf die staatliche Nichteinhaltung des Friedensabkommens von 2016 zwischen der damaligen rechten Regierung Kolumbiens und der Vorgängerorganisation von »Segunda Marquetalia«, der FARC-EP gewesen. Es sei auch eine Antwort auf die gerichtliche Verfolgung und Militäroperationen gegen FARC-Mitglieder gewesen, die das Abkommen unterzeichnet hatten.

Der aktuelle Friedensdialog müsse im Rahmen der tiefen sozialen, politischen und ökonomischen Veränderungen, die Kolumbien brauche, stehen, so Márquez. Von seiten der Regierungsvertreter scheint die Priorität wie bereits bei anderen Verhandlungen mit Guerillaorganisationen weiterhin auf einem territorialen Ansatz der Friedenserrichtung zu liegen. Die Eröffnung dieses Friedensprozesses ist letztlich auch Ergebnis der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Kolumbien und Venezuela, nachdem sie unter den vorherigen rechten kolumbianischen Regierungen abgebrochen worden waren.

Sowohl in seiner Rede bei der Eröffnungsveranstaltung am Montag als auch in einem auf X veröffentlichten Kommuniqué bestätigte der venezolanische Außenminister Gil, dass seine Regierung diesen Dialog und den Frieden in Kolumbien unterstützt.

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