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Aus: Ausgabe vom 28.06.2024, Seite 8 / Ansichten

Viele Türen

Von Jörg Kronauer
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Die Welt ist dabei, eine neue zu werden: Treffen der Mercosur-Mitglieder im brasilianischen Bento Gonçalves (5.12.2019)

Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen: Das Sprichwort taugt als Aussage über die schon ein Vierteljahrhundert andauernden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur durchaus. Als die Verhandlungen am 28. Juni 1999 offiziell eingeleitet wurden, war die Welt noch ganz die alte – und für Lateinamerika hieß das: Den Ton gaben die USA an, die zweite Geige spielte die EU. Die aber befand sich im Aufstieg; sie bereitete ihre eigene Währung vor, erweiterte sich, nahm sogar den Aufbau eigener Streitkräfte in den Blick – und unter anderem in Südamerika wollte sie mit den Vereinigten Staaten um Einfluss und Macht rivalisieren. Dazu strebte sie eine Vereinbarung über Freihandel mit dem Mercosur an: Sie war in der Offensive.

Heute ist die Welt dabei, eine neue zu werden; und was das im Detail heißt, das kann man unter anderem in Südamerika beobachten. Wer dort den Ton angibt, das ist längst nicht mehr klar. Ökonomisch hat China massiv an Einfluss gewonnen; es ist größter Handelspartner und aktuell einer der bedeutendsten Investoren auf dem Subkontinent. Selbst antichinesische Hardliner wie Brasiliens zeitweiliger Präsident Jair Bolsonaro haben es nicht mehr geschafft, Beijing abzuschütteln. Aktuell macht Argentiniens Präsident Javier Milei die nächste Probe aufs Exempel – mit ungewissem Erfolg. Und die EU? Ihr ist vieles nicht gelungen. Der Euro etwa ist nicht zur Alternative zum Dollar geworden; eine EU-Armee gibt es bis heute nicht. In Südamerika ist die EU nicht aufgestiegen, sondern zurückgefallen. An ihrem Plan, das Mercosur-Freihandelsabkommen in Kraft zu setzen, hält sie fest, um nicht noch mehr Einfluss zu verlieren: Sie ist in die Defensive geraten.

Und der Mercosur? Die neue Welt, die sich zur Zeit entwickelt, ist eine, in der er wählen kann – und zwar nicht mehr nur zwischen den USA und der EU. Vor allem China, punktuell auch Russland und Indien bieten sich als Alternativen an. Das eröffnet ihm die Chance, sich von den früheren Kolonialherren nicht mehr alles bieten lassen zu müssen. Die von der EU geforderte Zusatzerklärung zu Klimathemen etwa weist er bislang kühl zurück. Ende 2023 hat er ein Freihandelsabkommen mit Singapur geschlossen. Das mag für das alte Europa etwas merkwürdig klingen, ist es aber nicht: Die Handelsdrehscheibe Singapur gehört zum südostasiatischen Bündnis ASEAN, das ein Freihandelsabkommen mit China unterhält. Die Vereinbarung mit Singapur öffnet dem Mercosur also in Asien viele Türen. Er kann jetzt warten, die EU kann es nicht.

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