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Aus: Ausgabe vom 28.06.2024, Seite 11 / Feuilleton
Literaturbetrieb

Finaler Toilettengang. Bachmannpreisimpressionen

Von Barbara Eder, Klagenfurt
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»hinausscheißen in die welt« – Abwassermeister Ferdinand Schmalz

»The quick brown fox jumps over the lazy dog« – mit diesem Pangramm überprüft man nicht nur die alphabetische Vollständigkeit eines Zeichensatzes, er dient auch als vorübergehendes Füllmaterial für leere Templates. Mit Problemen der unfreiwilligen Produktion von Blankotext beschäftigte sich am Mittwoch abend auch der österreichische Autor Ferdinand Schmalz anlässlich der Eröffnung der 48. Tage der deutschsprachigen Literatur im ORF-Theater Klagenfurt. Seine Rede zum diesjährigen Bachmannpreiswettlesen trug den Titel »Hoppla, die Leberwurst!«, handelte aber nur dem Anschein nach von einer kulinarischen Odyssee. Den Satz »euch kann ich’s ja ruhig sagen: mir ist nichts eingefallen«, hatte der Autor allen weiteren Aperçus vorangestellt.

Ferdinand Schmalz hatte den mit 25.000 Euro von der Stadt Klagenfurt gestifteten Ingeborg-Bachmann-Preis 2017 mit dem Text »Mein Lieblingstier heißt Winter« gewonnen, als Eröffnungsredner des Bewerbs debütierte er zu milden Hochsommerzeiten. Was folgte, war kein kokettes Lamento über wiederkehrende Schreibblockaden, vielmehr ging es um Tipps zu ihrer Überwindung – vom Verschlingen von Kalbsherzen bis hin zum Turnprogramm à la Kafka, von Schreibversuchen im offenen Sarg über okkulte Geisterbeschwörungen und spontane Stoßgebete.

Nach und nach entdeckte Schmalz eine geheime »Liebe zur Schreibkrise«, vergleichbar mit jener eines Alkoholikers zum Kater: Nicht für den Rausch trinke man, sondern für das Elend danach. Der »Writer’s Block« sei die eigentliche Ursache allen Schreibens: »vielleicht braucht es gerade diese krisen, damit ein guter text entsteht«, denn: »ein text muss diesen punkt erreichen, an dem man nicht mehr weiterweiß, damit er gut wird.« Am Ende schließt sich die Nahrungskette – und es wird evident, wer hier wen verdaut: Das Titel gebende »Hoppla, die Leberwurst« erweist sich als eingedeutschte Variante von Paul McCartneys »Hope of Deliverance«, an der Wurstbude des Austropop wird seither munter weitergedudelt: »in diesem akt einer gegenseitigen einverleibung bleiben beide, leser*in als auch text, nicht wie zuvor.« Auf den finalen Toilettengang will auch Schmalz nicht verzichten: »der text scheißt uns wieder wie neu geboren hinaus in die welt, wie auch wir den text wieder wie neu geboren hinausscheißen in die welt.«

Für das literarische Wellenreiten am Wörthersee könnte es kaum bessere Voraussetzungen geben. 14 Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum rittern auch in diesem Jahr wieder um fünf hoch dotierte Preise. In seiner Rede betonte Juryvorsitz Klaus Kastberger, dass es vorab keine geheimen Absprachen gebe – schließlich treffe sich die siebenköpfige Jury nicht einfach »heimlich im Gebüsch«. Die von Schmalz gelegte Spur zu Erich Kästners »Emil und die Detektive« sollte man in den kommenden Tagen dennoch nicht aus den Augen verlieren. Eine fatale Schreibblockade hatte Kästners Lesern einst einen Südseeroman mit dem Titel »Petersilie im Urwald« erspart. Preisverdächtig erscheint schon jetzt all das, was niemals verlegt werden wird.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (28. Juni 2024 um 16:36 Uhr)
    »Schließlich treffe sich die siebenköpfige Jury nicht einfach ›heimlich im Gebüsch‹« – aber genau das ist zu empfehlen.

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