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Aus: Ausgabe vom 29.06.2024, Seite 5 / Inland
Stadtentwicklungspolitik

Hieb für Immohai

Berlin: Gericht bestätigt Milieuschutz in Mitte. Bewohner, Grüne und Linke sehen Etappensieg
Von Oliver Rast
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Ist doch gar nicht so »stumpf« wie gedacht: Das Instrument des »sozialen Gebietsschutzes« in Metropolen (Berlin, 20.9.2018)

Ein »stumpfes Schwert« sei es, mehr nicht: die Verordnung für ein »soziales Erhaltungsgebiet«, besser bekannt als »Milieuschutzgebiet«. Doch nun hat – um im Sprachbild zu bleiben – die Klinge dieses stadtentwicklungspolitischen Instruments getroffen. Im Visier von Schneide und Spitze: Romeo Uhlmann. Der Immobilieninvestor aus Unterföhring bei München wollte die Milieuschutzverordnung des Bezirksamts Berlin-Mitte für das Areal »Reinickendorfer Straße« im Gesundbrunnen kippen lassen. Juristisch. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg spielte nicht mit, bestätigte hingegen am Donnerstag die Verordnung samt Genehmigungsvorbehalt für den Abriss von Gebäuden.

Was ist Milieuschutz überhaupt? Kein klassischer Mieterschutz, wohlgemerkt, sondern ein städtebaulich begründeter Gebietsschutz aus dem Baugesetzbuch. Veränderte sich durch bauliche Vorgänge, etwa durch Rückbau, Abriss oder Nutzungsänderung (Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum) die Zusammensetzung der ortsansässigen Bevölkerung, statuiert die Verordnung einen kommunalen Genehmigungsvorbehalt. Ergo: Mietwohnungen in Trümmer legen nur mit Amtsstempel. In Berlin sind mehr als 70 Milieuschutzgebiete ausgewiesen. Allein 14 im Hauptstadtbezirk Mitte.

Was wollte Uhlmann, der »langjährige Entwickler werthaltiger Immobilienmarken« (Selbstreklame)? Den Kulturhof mit alter Remise in der Koloniestraße 10 plattmachen. Nicht nur das, den Milieuschutz wegen angeblicher Formfehler bei der Aufstellung der Verordnung aushebeln. Für das ganze Gebiet. Und statt Kulturhof, was sollte dahin? Ein schickes Ensemble Micro­flats. Hausen, pennen, duschen, kochen auf ein paar Quadratmetern. Standardparzellen für finanzstarke Singles. Eine Projektidee, von der alteingesessene Mieter und Gewerbetreibende gar nichts halten. Und schon gar nicht in einem der ärmsten Viertel Berlins.

Kurz zur Juristerei: Die Verwaltungsrichter haben den »Normenkontrollantrag« der Advokaten Uhlmanns abgewiesen – und begründeten das in einer Mitteilung vom Donnerstag so: »Die nicht aus formellen Gründen unwirksame Verordnung weise auch keine materiellen Fehler auf.« Alles tutti also für den Antragsgegner, den Bezirk. Zumal das OVG keine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen hat.

Erleichtert sind die Hofbewohner der »Kolonie 10«. Rund zwei Dutzend demonstrierten während der Verhandlung vor dem OVG in Charlottenburg. Wolkenbruch und Sturmböen konnten ihnen nichts anhaben. Auf einem Banner stand: »Wie viele Mikroapartments verträgt dein Kiez?« Nicht unbegrenzt viele.

Ein wichtiger Etappensieg, um den »dreisten Angriff des Investors Uhlmann« abzuwehren, befand Martha Kleedörfer (Die Linke) am Freitag im jW-Gespräch. Jetzt müssten Bezirksamt und Senat alles daran setzen, bezahlbaren Wohnraum und Stadtnatur zu schützen, so die Sprecherin für Wohnen und Stadtentwicklung ihrer Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte. Alles andere wäre Beihilfe zur Gentrifizierung. Und deshalb brauche es einen mehrheitlich gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt, betonte Katrin Schmidberger, die wohnungs- und mietenpolitische Sprecherin der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion. »Es gibt kein Recht auf Spekulation mit Wohnraum.« Punkt. Das OVG-Urteil – ein Hieb für Immohai Uhlmann.

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