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Aus: Ausgabe vom 29.06.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Flughafenprojekt CPK in Polen

Der polnische BER

Donald Tusks »Dreisprung«: Polnische Regierung hält an PiS-Projekt eines neuen Zentralflughafens mit Schnellbahnnetz und größerer Lot-Flotte fest
Von Reinhard Lauterbach
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Der Hauptstadtflughafen »Lotnisko Chopina w Warszawie« soll für das Megaprojekt erst ausgebaut und dann eingemottet werden

Es soll ein »Dreisprung in die Modernität« werden. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kündigte am Mittwoch den Bau eines neuen Zentralflughafens (CPK) »auf der grünen Wiese« zwischen Warschau und Łódź an. Angebunden an neu zu bauende Schnellbahnlinien und mit einer Erweiterung der bestehenden Autobahn Warschau–Łódź von vier auf acht Spuren sind für das Projekt umgerechnet 40 Milliarden Euro veranschlagt, davon elf für den Flughafen im engeren Sinn.

Polen solle, so Tusk, zu »einer einzigen Megapolis« zusammenwachsen – was den Chefredakteur der konservativen Rzeczpospolita zu der Bemerkung veranlasste, zu einer Megapolis gehöre nicht nur Infrastruktur, sondern auch Bevölkerung, die sie nutzt; aber das werde Tusk sicher auch noch hinbekommen. Polens Bevölkerung besteht derzeit aus knapp 38 Millionen Menschen, und wie die in Deutschland schrumpft sie tendenziell.

Der neue Flughafen soll 2032 in Betrieb gehen und eine Kapazität von 34 Millionen Passagieren pro Jahr haben: Das ist knapp unter dem 2023 erreichten Wert des Flughafens München (37 Millionen), 70 Prozent mehr als beim Flughafens Berlin-Brandenburg (BER, 19 Millionen), aber deutlich weniger als in Frankfurt am Main (60 Millionen). Mit Fluggästen aus Polen allein lässt sich das kaum erreichen, zumal diese 34 Millionen nur aus dem Linienverkehr kommen sollen. Für den stark wachsenden Sektor der Billigfluglinien soll parallel zum CPK-Bau der nördlich von Warschau gelegene Flughafen Modlin ausgebaut werden. Ein weiterer bisher kaum ausgelasteter Flughafen in Radom, 90 Kilometer südlich von Warschau, soll den Charterverkehr aufnehmen.

Der CPK-Bau ist auch ein Geschenk an die staatliche polnische Fluggesellschaft Lot. Sie soll am neuen Standort 50 bis 60 Prozent aller Flüge abwickeln und bekommt parallel zum Flughafenbau auch eine Vergrößerung ihrer Flotte von jetzt 76 auf 135 Flugzeuge spendiert; die Hälfte der neuen Maschinen soll langstreckentauglich sein. Lot soll vom Juniorpartner der lufthansadominierten Star-Alliance zum eigenständigen Anbieter von Umsteigeverbindungen in alle Welt aufsteigen.

Die Planer träumen davon, den einstweilen nach dem angrenzenden Dorf Baranów benannten Flughafen zum Umsteigeknoten (»Hub«) für ganz Mittel- und Osteuropa zu machen. Ob Fluggäste aus den baltischen Staaten ausgerechnet über Warschau in die Welt starten werden statt über Flughäfen in Skandinavien oder Deutschland, ist die große Unbekannte. Zumal parallel zu den polnischen Plänen auch Ungarn angekündigt hat, mit ähnlichen Ambitionen nahe Budapest einen neuen Großflughafen zu bauen. Ironischerweise mit dem internationalen Partner, den die Vorgängerregierung für das polnische Projekt vorgesehen hatte, der französischen Vinci-Gruppe.

Politisch ist Tusks »Dreisprung« die leicht abgespeckte Version eines der pharaonischen Bauprojekte der PiS-Regierung. Die hatte das Vorhaben seit 2016 als Symbol der nationalen Würde Polens beworben: Ein Zentralflughafen stehe dem Land zu. Mehr als wolkige Ankündigungen, bunte Präsentationen und Pöstchen für Parteisoldaten hatte PiS aber nicht zustande gebracht, weshalb das Flughafenkürzel CPK von Spöttern als »Zentrale Geldpumpstation« (polnisch: Centralna Przepompownia Kasy) dechiffriert wurde.

Warum es den neuen Flughafen 45 Kilometer außerhalb von Warschau angesichts des stadtnahen Fryderyk-Chopin-Airports überhaupt braucht, ist bislang unbegründet. Der »Fryderyk Chopin« hat aktuell eine Kapazität von 20 Millionen Passagieren, soll aber noch während der Bauzeit des CPK bis 2030 auf 28 Millionen ausgebaut werden – um 2032 eingemottet zu werden und als Standort der Regierungsflugbereitschaft und einiger Spezialprojekte zu dienen. Tusk behauptete am Mittwoch, alle Pläne seien genauestens durchgerechnet; es wäre allerdings das erste derartige Großvorhaben, bei dem die Kosten im geplanten Rahmen blieben. BER lässt grüßen.

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