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Aus: Ausgabe vom 29.06.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Klimakatastrophe

Das ertrinkende Land

Indonesien: Mit dem Anstieg des Meeresspiegels verschwinden Teile der Küstenlinie
Von Garry Andrew Lotulung, Jakarta (Text und Foto)
Wo einst eine Moschee stand, lassen sich nun Muscheln sammeln (Jakarta, August 2021)
Dorfbewohner führen in Cemarajaya Wartungsarbeiten an einem Wellenbrecher durch (Cemarajaya, 21.6.2023)
Mutter und Sohn in einem Slum in Tanah Abang, Jakarta (5.9.2017)
Sandsäcke sollen eine Straße in Cemarajaya schützen, die schon halb weggebrochen ist (3.1.2023)
Nasser Schulweg (Pekalongan, Juni 2021)
Cemarajaya von oben (21.6.2023)
Auch dieses Haus wurde bereits von den Wassermassen in Besitz genommen (Pekalongan, 4.6.2021)
Derweil ist fraglich, wie lange es bei diesem Haus noch dauern wird (Cemarajaya, 5.1.2023)

Noch vor 2050 werden Tausende von kleinen Inseln und Millionen von Häusern in den Küstengebieten Indonesiens verschwinden. Der durch die Erderwärmung verursachte Anstieg des Meeresspiegels trifft das Land besonders, denn die viertbevölkerungsreichste Nation der Welt ist der größte Archipelstaat mit mehr als 17.000 Inseln. Die meisten davon liegen nur einen Meter über dem Meeresspiegel. Abholzung, Landgewinnung und die illegale Entnahme von Grundwasser durch die Industrie machen die Küstengebiete noch anfälliger für den steigenden Meeresspiegel.

Zu sehen ist das zum Beispiel an der Nordküste von Westjava. Dort ist das Dorf Cemarajaya am stärksten von der Abrasion genannten Abtragung von Land betroffen. Seit zwei Jahrzehnten sinkt die sechs Kilometer lange Küstenlinie langsam, aber stetig ab. Mehr als 300 Haushalte mussten ihre Häuser aufgeben, weitere werden folgen. Einige Nachbardörfer sind bereits vollständig versunken. Auch die hohen Einnahmen aus dem Tourismusobjekt Pisangan Beach sind mittlerweile Geschichte. Mit dem Anstieg des Meeres wurde Land zu Meer, Bauern wurden zu Fischern. Selbst in vielen Häusern steht das Wasser.

Im abgelegensten Teil des Dorfes steht ein kleines, noch erhaltenes Kloster. Das Dorf ist bekannt für seine Vielfalt und religiöse Toleranz. Derzeit wird das Kloster im Dorf Mekarjaya von einem Muslim namens Camrad bewacht. Er erzählt, dass er die Anlage bereits seit zehn Jahren vor Überschwemmungen schütze. Auch die Dorfbewohner haben schon vor zwei Jahrzehnten begonnen, Dämme zu bauen und Häuser zu erhöhen. Die Regierung hat außerdem lange Wellenbrecher und Sandsäcke entlang der Küste errichtet. Dennoch blicken die Dorfbewohner in eine düstere Zukunft, denn das Wasser frisst fruchtbares Ackerland und damit die Lebensgrundlage vieler.

Ebenso wie Cemarajava ist auch der Großraum Pekalongan an der Nordküste Javas mit 1,2 Millionen Einwohnern häufig von schweren Flutungen betroffen. Die rasche Landabsenkung, schätzungsweise zehn bis 17 Zentimeter pro Jahr, macht das Gebiet besonders anfällig für Überschwemmungen. Das hat schwere Auswirkungen auf die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Menschen vor Ort. Weil Familien ihr Ackerland verlieren, wandern viele in die Städte ab.

Garry Andrew Lotulung ist freier Journalist und Fotograf und lebt in Jakarta. Er widmet sich in seinen Arbeiten vor allem sozialen und ökologischen Themen.

garrylotulung.com

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  • Leserbrief von Michael Wallaschek aus Halle (Saale) (3. Juli 2024 um 14:42 Uhr)
    Entschuldigung, aber in Indonesien und dem asiatischen Umfeld sind natürliche und anthropogene Ursachen am Absinken des Festlandes weit stärker beteiligt als der Anstieg des Meeresspiegels als Folge des Klimawandels – die Bilder über vermüllte Straßen und Plätze sprechen eine deutliche Sprache. Übrigens ist der indoaustralische Archipel eine direkte Folge des Anstiegs des Meeresspiegels um mindestens 100 Meter nach der letzten Kaltzeit als Folge des Abschmelzens der Inlandeisgletscher. Generell spricht man bei den letzten Jahrmillionen von Schwankungen des Meeresspiegels über mehrere hundert Meter. Nichts aktuelles soll heruntergespielt werden, aber ein bisschen mehr Zurückhaltung beim Umgang mit den scheinbar ganz klaren Folgen des Klimawandels wäre schon angebracht, sonst wird es nur noch ein Schlagwort, auf das niemand mehr hört, weil Partikularinteressen vermutet werden. Michael Wallaschek , Halle (Saale).
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (29. Juni 2024 um 14:33 Uhr)
    Danke für diese ergreifenden Bilder. Auch nach ihnen wird mancher nicht wahrhaben wollen, was Klimawandel bedeutet, an dem er mit Energieverschwendung, SUV und regelmäßigen Interkontinentalflügen fleißig mitarbeitet. Dreckig geht es ja nur denen weit weg. Erst viel später kommt das große Wundern. Nämlich dann, wenn jene plötzlich vor seiner Haustür stehen, deren Land auch durch sein Mittun ertrunken ist.

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