Einkommen weiter zu niedrig
Von David Maiwald![imago479452586.jpg](/img/450/196721.jpg)
Für Optimismus ist es noch deutlich zu früh. Den »höchsten Anstieg der Reallöhne seit Beginn der Zeitenreihe 2008« wollte das Statistische Bundesamt (Destatis) Ende Mai registriert haben. Das ließ die dpa sofort mit »Reallöhne im ersten Quartal stark gestiegen« in den bundesdeutschen Blätterwald multiplizieren – mit dem Hinweis, diese hätten die Kaufkraftverluste seit Beginn der Coronapandemie »noch bei weitem nicht ausgeglichen«. Denn auch wenn sich die nominalen Einkommen der Beschäftigten mittels Einmalzahlungen wie etwa der sogenannten Inflationsprämie steigern ließen, war die Preisentwicklung – angetrieben insbesondere durch Energiekosten – deutlich kräftiger, wie eine Anfrage der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei den Wiesbadener Statistikern zeigt, über die dpa am Sonnabend berichtete.
Das mittlere oder Medianeinkommen, das die obersten und untersten Spitzen bei der statistischen Erfassung weniger, dafür aber Mieteinnahmen und Sozialleistungen berücksichtigt, stieg den Destatis-Angaben zufolge zwischen den Jahren 2022 und 2023 um 5,1 Prozent an. Die Teuerungsrate lag im selben Zeitraum aber mit durchschnittlich 5,9 Prozent deutlich darüber. Wird das Jahr 2021 in die Betrachtung einbezogen, verteuerten sich Waren und Dienstleistungen hierzulande demnach sogar um 13,2 Prozent. Die verfügbaren Einkommen der BRD-Bevölkerung konnten im selben Zeitraum aber nur um gut 5,8 Prozent zulegen. »Die Deutschen sind deutlich ärmer geworden«, kommentierte BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht die Entwicklung.
Zwischen 2022 und 2023 waren die Einkommen zwischenzeitlich Preissteigerungen von mehr als 20 Prozent ausgesetzt. Bei einzelnen Warengruppen wurden die Preise sogar um mehr als 34 Prozent angehoben. Supermarktketten nutzten die zweifelsohne gestiegenen Energiekosten als Begründung, um etwa Eigenmarken um bis zu 75 Prozent teurer zu verkaufen. Während sich die Groß- und Einzelhändler mit einem Preiskampf um ihre Profitmargen stritten, stieg die Zahl der Menschen, die auf kostenlose Lebensmittel von Tafeln oder Essensausgaben angewiesen sind, stetig an.
Es dürfte keiner großen Diskussion bedürfen, um festzustellen, dass die mickrige Anhebung des Mindestlohns zum Jahresbeginn auf 12,41 Euro pro Stunde dieser Entwicklung keinen Einhalt gebieten konnte. Die kommende Anhebung um 41 Cent im Jahr 2025 wird allein dadurch karikiert, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Massen zuletzt mit einer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde beschwichtigen wollte. Sozialverbände und Gewerkschaften kritisieren das Minimalsalär bereits seit einigen Jahren als deutlich zu niedrig und fordern eine höhere Bezahlung für Lohnabhängige, um die Lebenshaltungskosten stemmen und auskömmliche Altersbezüge erhalten zu können.
Wagenknecht kritisierte, sieben Prozent weniger Kaufkraft seit 2021 seien »für die Mittelschicht (…) ein historischer Wohlstandsverlust, für den die Ampel hauptverantwortlich ist«. Die Bundesregierung betätige sich derzeit als »Inflationstreiber und Einkommensbremse zugleich«. Während die Ampel sich mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland und einer »ideologiegetriebenen Energiepolitik mit Sonderabgaben« umtreibe, habe sie die Inflation bei Renten und Mindestlohn »nicht annähernd« ausgleichen können, sagte die BSW-Vorsitzende.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte unlängst erneut den Zusammenhang zwischen Niedriglöhnen, Altersarmut und Lebenserwartung herausgearbeitet. »Wer in Deutschland besser verdient, lebt länger und hat eine bessere psychische und physische Gesundheit«, hieß es dazu in der vorvergangenen Woche. Für einen Großteil der BRD-Bevölkerung bietet das keine optimistische Perspektive.
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