Erschwerte Bedingungen
Von Karin Leukefeld, Aleppo![240610 Foto K. Leukefeld Aleppo).jpg](/img/450/196719.jpg)
In Idlib und im Nordosten Syriens können die Abschlussprüfungen nicht durchgeführt werden. Sowohl die dogmatischen Islamisten von Haiat Tahrir Al-Scham, die Idlib kontrollieren, als auch die kurdisch geführte Autonome Verwaltung im Norden und Osten Syriens, erkennen das syrische Schulsystem nicht an und verhindern die Durchführung der Examen.
Mustafa Abdul Ghani, Leiter der Bildungsdirektion in der nordsyrischen Stadt Aleppo, berichtet von einem Angebot an die Schüler in diesen Gebieten, zwei bis drei Wochen in der Stadt zu verbringen, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten und diese dort abzulegen. »Die Autonomiebehörde im Nordosten – die ja verschiedentlich mit den syrischen Behörden kooperiert – lässt die Schüler nach Aleppo oder auch nach Deir Al-Sor fahren, damit sie dort an den zentralen Abschlussprüfungen teilnehmen zu können«, erzählt Abdul Ghani. »Doch die Islamisten in Idlib geben keine Genehmigung, blockieren die Straßen nach Aleppo und führen Kontrollen durch.« Die Zeugnisse und Abschlussnoten seien für die Jugendlichen jedoch wichtig, weil nur das syrische Schulsystem international anerkannt sei.
Die Bildungsdirektion in Aleppo bietet Schülern Transport, Unterkunft und Verpflegung sowie Strom, Wasser und psychologische Hilfe an, um sich in Aleppo auf die Prüfungen vorzubereiten. 45 Schulen und andere Einrichtungen dienen als Unterkünfte, Schulmaterial und Bücher werden zur Verfügung gestellt. Lehrer haben die Aufsicht und Betreuung übernommen. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF unterstütze, wenn auch nicht mehr so wie in früheren Jahren, sagt Abdul Ghani. Die meiste Hilfe komme von syrischen privaten und öffentlichen Hilfsorganisationen. In diesem Jahr seien 9.500 Schüler aus den Gebieten nach Aleppo gekommen, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert würden. Mehr als 200 Schüler seien auf eigene Faust sogar aus Idlib gekommen. »Sie nutzten den Übergang bei Khan Scheichun, Hilfsorganisationen haben den Transport organisiert.«
7.200 der Schüler seien in den öffentlichen Schulen untergebracht worden, die anderen wohnten in der Zeit der Prüfungen bei Verwandten. Mustafa Abdul Ghanim und Osama Sorour vom Bildungsministerium, das die Prüfungen in Aleppo beaufsichtigt, zeigen zwei der Schulen, die am Stadtrand liegen. In einer sind Mädchen, in der anderen Jungen untergebracht. Die Kinder wohnen und lernen in Schulzimmern, die mit Schränken, Matratzen, Stühlen und Tischen ausgestattet sind. Es gibt Bäder und Gutscheine, um sich Essen zu kaufen. In den vorherigen Jahren wurde Essen verteilt, doch in diesem Jahr fehlt dafür das Geld. Abdul Ghanim und Sorour werden schnell von den Schülern umringt und nehmen sich Zeit, auf die Fragen der Jugendlichen einzugehen.
An diesem Tag ist prüfungsfrei und die jungen Leute bereiten sich in kleinen Gruppen oder mit Lehrern auf die nächsten Prüfungen vor. In einer Mädchengruppe aus Dscharaboulus hat eine der Schülerinnen ihre Großmutter mitgebracht, die unbedingt bei ihrer Enkelin bleiben wollte. Die meisten der befragten Mädchen wollen Apothekerin werden. Der Beruf der Lehrerin steht nicht hoch im Kurs.
In der Schule, in der die Jungen untergebracht sind, wird mit einem Lehrer gerade Mathematik gepaukt. Im benachbarten Klassenzimmer bereiten sich drei ältere Jungen auf das Abitur vor. Sie kommen aus Manbidsch und Kobani. Einer sagt, er komme aus Rakka, lebe aber in Manbidsch, weil Rakkaa völlig zerstört sei. Er wolle Betriebswirtschaft studieren, um später den Betrieb seines Vaters übernehmen zu können. Die anderen beiden planen ein Studium zum IT-Ingenieur und Mediziner.
Der junge Mann, der das Geschäft des Vaters übernehmen will, denkt nicht daran, Syrien zu verlassen. Die beiden anderen schon. Es sei schwer für die Jugend, sich eine Zukunft in Syrien vorzustellen, meint Osama Sorour. Die Probleme seien groß, der Krieg habe alles verändert. »Unsere Aufgabe ist, den Kindern die beste Schulbildung mitzugeben, damit sie mit guten Zeugnissen ihren Weg in die Zukunft gehen können.«
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