Nicht mehr als gute Miene
Von Knut MellenthinDie staatlichen Energiekonzerne Russlands (Gasprom) und des Irans (National Iranian Gas Company, NIGC) haben ein neues Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet. Das meldeten die beteiligten Staaten am Mittwoch. Anwesend waren bei der Zeremonie in Teheran demnach der iranische Ölminister Dschawad Owdschi und Gasprom-Chef Alexej Miller, der auch den Titel eines Sonderbeauftragten der Russischen Föderation hält. Zuvor hatte es ein Treffen zwischen Miller und dem geschäftsführenden iranischen Präsidenten Mohamad Mokhber gegeben. Owdschi erklärte das Memorandum nach der Unterzeichnung als »eine große Errungenschaft«, die zu guten Entwicklungen »auf dem Gebiet des Ausgleichs des Energiehandels« führen werde. Iran hoffe, dass aus dem MoU »in ganz kurzer Zeit« ein Vertrag werden könne.
Damit sprach er einen entscheidenden kritischen Punkt an: Ein MoU ist nicht mehr als eine unverbindliche, meist nicht einmal detailliert ausformulierte Absichtserklärung, deren Inhalt von Partnern zudem unterschiedlich interpretiert und öffentlich dargestellt werden kann. Die Unterzeichnung einer solchen Absichtserklärung zwischen Gasprom und der National Iranian Oil Company (NIOC) zur Zusammenarbeit im Energiesektor war schon im Juli 2022 gemeldet worden.
Damals wurden aufsehenerregende Einzelheiten gemeldet, die jedoch nicht offiziell bestätigt waren. Angeblich sei eine Vielzahl von Projekten mit einem Gesamtwert von 40 Milliarden US-Dollar geplant, hieß es da. Iran, das nach Russland die zweitgrößten Erdgasvorkommen der Welt hat, solle von dort sechs Millionen Kubikmeter Gas pro Tag beziehen und die gleiche Menge über einen Terminal am Persischen Golf an russische Kunden liefern. Praktisch wäre das ein Weg, die westlichen Sanktionen gegen Russland zu umgehen.
Ähnliches sei auch mit dem am Mittwoch unterzeichneten MoU geplant, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA »auf Grundlage von Informationen, die sie erhalten hat«. Der angestrebte Vertrag solle es Iran ermöglichen, Gas aus Russland zu importieren und mit höherem Preis an den Irak, die Türkei und nach Pakistan weiterzuliefern.
Doch wird anscheinend etwas vorbereitet, ohne schon endgültig ausgehandelt zu sein. Iran werde »sich in einen regionalen Gasumschlagplatz verwandeln«, soll der geschäftsführende Präsident Mokhber nach Presseberichten bei seinem Gespräch mit Gasprom-Chef Miller gesagt haben. Auch Ölminister Owdschi erklärte, das MoU schaffe »einen Rahmen für Gasexporte aus Russland in den Iran«.
Zwischen Moskau und Teheran ist seit mehreren Jahren auch ein »Abkommen über strategische Kooperation« in Arbeit, das ebenfalls bisher nicht über das Stadium von Ankündigungen und MoUs hinausgekommen ist. Am selben Tag, an dem das Papier zur Kooperation zwischen Gasprom und NIGC unterschrieben wurde, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, während ihrer Pressekonferenz: »Wir arbeiten jetzt an einem Vertrag – Sie haben vermutlich davon gehört und ich bitte sie noch einmal, nicht die Formulierung ›das Gleiche wie der mit Nordkorea‹ zu benutzen –, wir arbeiten am großen Vertrag mit Iran«. Damit bezog sie sich auf ein »Abkommen über umfassende strategische Partnerschaft« zwischen Russland und der Demokratischen Volksrepublik Korea, das eine Woche vorher während eines Besuchs von Präsident Wladimir Putin in Pjöngjang unterschrieben worden war.
Iran und Russland haben am 12. März 2001 einen »Vertrag über strategische Zusammenarbeit« geschlossen, der sich automatisch alle fünf Jahre verlängert, falls er nicht gekündigt wird. Schon 2021 behaupteten iranische Politiker, Diplomaten und Medien, dass eine völlig neu formulierte Vereinbarung, diesmal mit einer Laufzeit von 20 Jahren, kurz vor der Unterzeichnung stehe. Im April vorigen Jahres wurde ein Abschluss dann erneut als nahe bevorstehend bezeichnet. Aber die Teufel des Verhandlungsprozesses stecken offenbar im Detail.
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