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Aus: Ausgabe vom 02.07.2024, Seite 6 / Ausland
Steuerproteste in Kenia

Eine Generation zeigt Zähne

Kenia: Protestwelle einer neuen Jugendbewegung verhindert Steuerreform
Von Lorna Likiza, Mombasa
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Nicht ohne ihre Zustimmung: Kenias Jugend nimmt die Zukunft ihres Landes selbst in die Hand (Nairobi, 25.6.2024)

Vergangene Woche hat Kenia nie dagewesene Ereignisse erlebt, die in die Geschichtsbücher Eingang finden werden. Millionen von Jugendlichen, von denen viele zur sogenannten Generation Z gehören, gingen am vergangenen Dienstag und Donnerstag auf die Straßen der größten Dörfer und Städte und forderten, das vorgeschlagene »Finanzgesetz 2024« zu verwerfen. Das Gesetz, das vom Vorsitzenden des nationalen Finanz- und Planungskomitee der Nationalversammlung am 13. Mai 2024 vorgeschlagen worden war, sorgte sofort für Unmut unter der jungen Bevölkerung Kenias, da geplant war, die Preise für Grundnahrungsmittel wie Zucker, Gemüse und Brot weiter in die Höhe zu treiben.

Viele Diskussionen fanden über soziale Netzwerke wie Twitter und Tik Tok statt. Weitverbreitete Hashtags waren »RejectFinanceBill2024«, »OccupyParliament« und »TotalShtDownKe«. Die entsprechenden Mobilisierungen gipfelten in wohlorganisierten, friedlichen Märschen im ganzen Land. Viele Kenianer, jung und alt, sind sich einig und lehnen ab, was den einfachen Mwananchi (Bürger) unterdrücken würde. Die Demonstranten hatten nur ein Ziel: der Regierung die Botschaft zu vermitteln, dass der vorgebrachte Vorschlag des Finanzgesetzes die Wirtschaft lähmen und die Lebenshaltungskosten, die bereits einen neuen Höchststand erreicht hatten, nochmals steigern würde.

Der vielleicht am wenigsten erwartete Erfolg war, wie lautstark und furchtlos sich die »Generation Z« in ihrem eifrigen Streben nach sozialer Gerechtigkeit erwiesen hat. Oft als jung, unreif, unseriös und geistesabwesend mit sozialen Netzwerken beschäftigt angesehen, waren viele überrascht darüber, wie aufgeklärt diese Altersgruppe in Regierungsfragen ist. Diese Generation machte unmissverständlich klar, dass sie die Unterdrückung nicht einfach in Kauf nehmen würde, sondern bereit ist, ihre Stimme zu der Sache zu erheben und ihre gewählten Vertreter im Parlament zur Verantwortung zu ziehen.

Laut einem Artikel des Nationalrats für Bevölkerung und Entwicklung unter dem Titel »Überschuss der Jugend in Kenia: Segen oder Fluch« bestehen etwa 80 Prozent der Bevölkerung Kenias aus unter 35jährigen, näher bestimmt durch die Alterskohorten »Millennials«, »Generation Z« und »Generation Alpha«. Des weiteren sind »Millennials« und »Generation Z« in Kenia sehr gut ausgebildet und dank der konstanten Verwendung sozialer Netzwerke – unter anderem zum Nachrichtentransfer – sehr aufgeklärte Generationen.

Bemerkenswert ist, dass viele Akademiker dieser Generation mit Arbeitslosigkeit und geringen Jobaussichten zu kämpfen haben sowie einer geringen Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Für manche ist eine unsichere Selbständigkeit die einzig mögliche Option. Ihre starke Ablehnung des von der Regierung vorgeschlagenen Finanzgesetzes hätte niemand überraschen dürfen. Erst recht nicht die Regierung von Präsident William Ruto, der während seiner Wahlkampagne behauptet hatte, auch für die »Hustler« da zu sein, die Draufgänger, die ohne wohlhabende Herkunft für ihr Geld schuften müssen.

Als das kenianische Parlament das Gesetz mit einigen Änderungen am vergangenen Dienstag angenommen hatte, begannen die Anspannungen zu bersten, als Demonstranten die Barrikaden ums Parlament durchbrachen, um in das Gebäude zu gelangen. Die Polizei erwiderte, indem sie das Feuer eröffnete und einige Demonstranten niederschoss und andere verwundete. Um die Spannungen zu besänftigen, erklärte Präsident Ruto am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, das Finanzgesetz wieder zurückzunehmen. Auch will er den Dialog mit Kenias Jugend wiederaufnehmen. Die Sparmaßnahmen sollen anscheinend aber doch irgendwie umgesetzt werden.

Die gegen die Demonstranten von den Einsatzkräften insbesondere in den Vororten von Nairobi ausgeübte Brutalität ist gut dokumentiert. Viele haben dadurch augenscheinlich das Vertrauen in den Präsidenten verloren und fordern seinen Rücktritt und eine vollständige Regierungsumbildung. Es bleibt abzuwarten, wie Präsident Ruto sich aus der schwierigen Position, in der er sich befindet, herausnavigiert.

Übersetzung: Dominik Wetzel

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