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Aus: Ausgabe vom 02.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Macrons Ignoranz

Neuwahlen in Frankreich
Von Hansgeorg Hermann
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Vor etwas mehr als einem Jahr, im April 2023, betrachtete und bewertete der bedeutende Pariser Historiker und Sozialwissenschaftler Pierre Rosanvallon in einem Interview mit der Hauptstadtzeitung Libération den Präsidenten Emmanuel Macron. Nicht nur den Politiker, der sich schon damals nach sechs Jahren Amtszeit von einem 39 Jahre jungen »Hoffnungsträger« zu einem schwer gealterten, autoritär durchregierenden Machthaber verändert hatte, sondern auch den Menschen Macron. Als sei er ein Psychoanalytiker, hatte Rosanvallon dem aus gehobenem Bürgertum der Provinzstadt Amiens entsprungenen Investmentbanker und Jungmillionär eine »Arroganz« diagnostiziert, die sich »aus seiner totalen sozialen Ignoranz nährt«.

Einsame Entscheidungen, wie die völlig verantwortungslose Auflösung der Nationalversammlung am 9. Juni nach der schweren Niederlage bei den EU-Wahlen bestätigten nicht erst am vergangenen Wahlsonntag, was Rosavallon damals befürchtet hatte: Macron werde – die verdammt ernstzunehmenden »gesellschaftlichen Sorgen« der Franzosen missachtend – die extreme Rechte direkt an die Macht führen.

In der Tat bescheinigen Leute aus dessen politischem und engerem gesellschaftlichen Umfeld dem Politiker und Menschen Macron einen nahezu religiös gefestigten »Glauben an die eigene Außerordentlichkeit«. Es sind keine zu vernachlässigenden wilden Thesen, die bisweilen darauf hinweisen, dass Macron in seinem Palais Élysée lieber Monarch »von Gottes Gnaden« wäre als der vom Volk zweimal direkt gewählte Präsident einer Republik. Dieses Volk, erkannten Beobachter wie Rosanvallon, ist dem Staatschef nie mehr als Stimmvieh gewesen, seit er sich 2016 aus der niedrigen Regierungsarbeit als Minister unter dem schwachen sozialdemokratischen Präsidentenvorgänger François Hollande verabschiedet hatte.

Der Mann, der mit Präsidentengattin Brigitte das vom Steuerzahler finanzierte Élysée-Budget – immerhin rund 118 Millionen Euro – auch im vergangenen Haushaltsjahr locker »verbrannte« und sogar um 17 Prozent aufstockte, wie in französischen Zeitungen zu lesen war, hat den 68 Millionen Franzosen im selben Zeitraum eine »Reform« verpasst, die das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre erhöhte. Einem beschäftigungslosen jungen Mann, der seinem Präsidenten bei einem raren »Bad in der Menge« lautstark dessen eleganten Anzug neidete, beschied Macron: »Geh arbeiten, dann kannst du dir auch einen kaufen.«

Die Lehre aus seiner jüngsten ebenso einsamen wie katastrophalen Entscheidung hat Macron auf ganz spezielle Art wohl schon gezogen. Er habe dem Volk die Möglichkeit gegeben, per Stimmabgabe über seine, wie er meint, »republikanische« Herrschaft zu richten. Sein Fazit: Das Volk hat es versaut und ist selbst schuld, wenn die extreme Rechte es demnächst so richtig an die Kandare nehmen wird.

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