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Aus: Ausgabe vom 03.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Sportpolitik

Brüchiges Dach

Die Hoffnungen bei der Gründung des Deutschen Olympischen Sportbundes 2006 haben sich nicht erfüllt. Ein Kommentar von Andreas Müller
Von Andreas Müller
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Jetzt werden Quittungen ausgestellt: Der DOSB muss endlich echter Interessenvertreter werden

Mancher Kenner der Verbände ist bis heute überzeugt: Der Zusammenschluss des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitee zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2006 diente vor allem dazu, dem deutschen Sportfunktionär Thomas Bach, damals Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), ein Sprungbrett ins höchste Amt des Weltsports zu schaffen. Er habe daheim eine Organisation gebraucht, ohne die er unmöglich IOC-Präsident hätte werden können. 2013 war der heute 70jährige am Ziel, er regiert noch bis 2025. Das »O« im Namen des neuen Dachverbandes dominierte von Beginn an – zu Lasten der Lobbyarbeit für den »kleinen Sport«, der Fundament des Ganzen sein sollte. Jüngstes Beispiel: DOSB-Präsident Thomas Weikert erwähnte in seiner Rede »Der Sport und die Demokratie« kurz vor dem 75. Jubiläum des Grundgesetzes mit keiner Silbe, dass der Verband seit Ende 2006 eine Forderung erhebt, die bis heute nicht erfüllt wurde: den Sport als unverzichtbare gesellschaftliche Größe in dieses Grundgesetz aufzunehmen.

Dauerhaft unterbelichtet bleibt auch der nichtolympische Sport. Aktuell gibt es Querelen um die Vergabe der »World Games« 2029 an Karlsruhe, der designierte Ausrichter Hannover wurde eiskalt überspielt. Kaum besser scheint das Wechselspiel zwischen Dachverband und Politik, was die »World University Games« im Rhein-Ruhr-Gebiet anbelangt, wo 2025 über 10.000 Studentensportler ihre Kräfte messen werden. Das Budget von 160 Millionen Euro reicht nicht. Es braucht zusätzliches Geld, das keiner zuschießen will. Kein gutes Bild für ein Land, in dem ernsthaft diskutiert wird, 2036 oder 2040 Olympische Sommerspiele auszurichten.

Für Olympia vom 26. Juli bis 11. August in Paris sind die Vorzeichen nicht besser. »Illusions perdues« (Verlorene Illusionen), um es mit Honoré de Balzac zu sagen. Die »Priorität Spitzensport« des DOSB hat nicht dazu geführt, dass deutsche Olympia-Teams wieder an ihre besten Zeiten anknüpfen konnten. Zuletzt landete man 1992 in Barcelona unter den Top drei des Nationenrankings. Immer magerer wurden die Erträge, vor drei Jahren in Tokio stand Rang neun zu Buche. In Paris dürfte es weiter abwärtsgehen, zumindest steht es zu vermuten, nach den dürftigen Auftritten der bundesdeutschen Leichtathleten jüngst bei den Europameisterschaften in Rom. Wie die Beckenschwimmer hatte man 2023 keine einzige WM-Medaille gewonnen. Die Turner entgingen im Vorjahr demselben Schicksal nur dank Lukas Dauser.

Desillusionierung machte sich breit, nun werden Quittungen ausgestellt. Ab dem kommenden Jahr sollen die aktuell 282 Millionen Euro Förderung aus dem Bundesministerium des Innern für den »Kernhaushalt Leistungssport« anders verteilt werden. Nämlich über eine unabhängige Agentur, womit zugleich das Gerangel um Einfluss und Macht zwischen DOSB und BMI beendet wäre. Arbeitsteilung heißt das Gebot der Stunde. Jeder nach seinen Fähigkeiten. Die öffentliche Hand als Finanzier, die neue Agentur als Steuerzentrale – und der Dachverband an seinem eigentlichen Platz: als Vertreter der Interessen der größten Bürgerbewegung mit rund 27 Millionen Mitgliedern.

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