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Aus: Ausgabe vom 03.07.2024, Seite 8 / Ansichten

In der Defensive

Warschau und Berlin
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
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Die Zeiten, als sich deutsche Politiker breit hinstellen und darauf verweisen konnten, dass es schließlich die BRD gewesen sei, die Polens Aufnahme in die EU vorangetrieben habe, sind definitiv vorbei. Heute ist die Bundesrepublik politisch gegenüber Polen in der Defensive. Seitdem das Nachbarland im Ukraine-Krieg die Rolle des zu praktisch allem bereiten Frontstaats übernommen hat, hat Warschau Oberwasser und lässt das die deutsche Seite auch spüren. Wenn Donald Tusk sagt, es »wäre keine glückliche Idee«, im Rahmen der gemeinsamen Sicherung der NATO-Ostgrenze »deutsche Panzer durch Polen rollen« zu lassen, nimmt er ein Argument von Jarosław Kaczyński auf, der diesen Fall für »die nächsten sieben Generationen« ausgeschlossen hatte. Dabei hatte niemand in Berlin den Einsatz von Bundeswehr oder Bundespolizei an Bug und Narew vorgeschlagen; die Vorababsage soll zeigen, welche Seite im deutsch-polnischen Verhältnis den Diskurs bestimmt.

Nach dieser Seite waren die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen eine Fortsetzung der ostpolitischen Canossagänge, die Olaf Scholz seit der Ausrufung der »Zeitenwende« am laufenden Band abgeliefert hat. Dass Polen jetzt Gelegenheit bekommen soll, in einem neu zu schaffenden Gedenkort in Berlin seine Sichtweise der jüngeren Geschichte Europas zu präsentieren, die im wesentlichen darin besteht, dem antifaschistisch geprägten Gedenken sein Narrativ von den »zwei Okkupationen« entgegenzusetzen, passt ins Bild einer auch deutschen Geschichtspolitik, die die Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung Europas vom Faschismus herunterspielen soll. Wenn Tusk dazu noch Polen und der BRD die Aufgabe zuweist, auf EU-Ebene ein Gegengewicht gegen »integrationsfeindliche und prorussische Kräfte« zu bilden, ist die Rolle der BRD als Juniorpartner der antirussischen Ausrichtung der europäischen Staatenwelt sinnfällig gemacht. Und Scholz stand wieder einmal dabei, lächelte und »sagte kein einziges Wort«. Genau wie er Anfang 2022 in Washington verlegen danebengestanden hatte, als ihm Joseph Biden ankündigte, Nord Stream »auszuschalten«, wenn Russland die Ukraine angreife.

Das einzige, was man als Zugeständnis einstufen könnte, ist Tusks jetzt wiederholte Einsicht, dass die von der PiS-Regierung aufgekochte Reparationsfrage »formal und juristisch abgeschlossen«, für Polen also an dieser Front nichts mehr zu holen sei. Vom Wiederaufbau des im Krieg zerstörten »Sächsischen Palais« in Warschau auf deutsche Kosten ist auch keine Rede mehr. Das Geld wird für die aktuelle Aufrüstung dringender gebraucht. Genauso wie begradigte Fronten.

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